: Die Suche nach dem neuen Weg
Nach dem Deutschland-Cup: Die Eishockeytrainer Bukac und Reindl nähern ihr Team in kleinen aber feinen Schritten der Weltspitze ■ Aus Stuttgart Peter Unfried
Der Prager Eishockeydoktor Ludek Bukac ist ein höflicher Mann. Drum bemüht sich der Trainer der deutschen Nationalmannschaft auch dann um eine Aneinanderreihung von Silben, wenn er eigentlich zur Antwort nicht bereit ist. Hernach bleibt zwar weiterhin unerklärt, warum die Eishockeyhallen vielerorten vor Zuschauern bersten, es dem nationalen Team jedoch auch heuer nicht gelang, die Massen in die Eishockeyprovinz Stuttgart zu locken. Immerhin weiß man dafür über den Stellenwert des Ereignisses Genaueres. „Deutschland-Cup“, sagt der 57jährige, „ist Deutschland-Cup“. Mithin ist er für den DEB durchaus wichtig, für dessen Trainer bedeutet er „die Pflicht, die Besten aufs Eis zu bringen“.
Jene waren am Ende Zweitbeste, was aber nichts heißen muß, weil die anderen nicht die Allerbesten waren. Die Kanadier ließen sich mit einem neu formierten Collegeteam die Bude vollschießen, das jüngst in Varese selbst den Italienern unterlegen war; die Tschechen brachten die mit, die zur Verfügung standen, und das, nicht viel mehr, taten diese Spieler. Und die Russen siegten zwar, prügeln aber neuerdings so ungehemmt, daß dem Nachfolger von Väterchen Tichonow, dem einstigen Wunderstürmer Boris Michailow, der Zorn im geröteten Gesicht geschrieben stand. Allen dreien ist eines gemeinsam: gespielt und geplant wird in Blickrichtung WM im kommenden April, doch keiner weiß, ob man dann die in Stuttgart getesten Spieler brauchen muß oder ob nicht doch andere, derzeit unabkömmliche zur Verfügung stehen.
Diese Probleme hat das deutsche Trainerduo nicht. Bukac, für die Stürmer zuständig, und der Abwehrcoach Franz Reindl sind schon mitten im Ausprobieren. Weniger ums Sieben ging es den beiden am Wochenende als ums Sichten. Den Kader will man vergrößern, statt guten zwanzig wie noch unlängst möchte Bukac demnächst „dreißig bis vierzig Leute haben, aus denen wir auswählen können“. Was sich einfach anhört, es aber gar nicht ist, weil die Bundesliga so viel nun auch nicht hergibt. Gefunden und gleich ausprobiert haben die Bundestrainer die Kölner Schiffl und Stefan, die Landshuter Bresagk, Abstreiter und Hantschke, den Ratinger Kienass, den Münchener Volland, den Krefelder Pyka. Und? Man war nicht unzufrieden mit den jungen Leuten. Ohne die, die schon immer mitspielen, das wurde klar, geht es zwar weiterhin nicht, aber: Man arbeitet an ihrer Entlastung.
„Unsere jungen Spieler“, sagt Bukac, „brauchen Erfahrung“. Sie brauchen Spiele, und sie brauchen Eiszeit. „Wir wissen“, doziert der Professor, „daß diese Leute alle Talent haben. Deshalb sind sie hier.“ Deshalb bleiben sie dabei. Erst mal. Kriegen neue Chancen, Erfahrung zu sammeln, im Dezember in Moskau beim Iswestija-Cup, im Februar beim Turnier in Zürich. Dann erst will Bukac urteilen.
Doch Kadererweiterung und Modifizierung ist nur das eine. Daneben vergißt der Prager sein Hauptanliegen nicht, die Kreation eines, voilá, deutschen Stils. Die Grundqualitäten für erfolgreiches Eishockey, körperbetontes Spiel, entsprechende Physis, kurz das, was die Kanadier haben, „haben wir auch“. Nachgewiesen beim jüngsten Weltturnier in Prag und nun auch beim Deutschland-Cup in Stuttgart, wo gegen Kanada (5:2) und die ČSFR (4:3) gewonnen, gegen Rußland knapp mit 4:5 verloren wurde. Doch auch das starke Schlußdrittel gegen die Russen, als ein 0:5-Rückstand fast noch wettgemacht werden konnte, vermochte die Defizite nicht zu kaschieren. „Wenn wir unter Druck stehen, verlieren wir schnell den Kopf“, erkannte Bukac, der jetzt an die feineren Dinge gehen will: „Wir suchen einen neuen Weg.“ Die Besten sollen auch international endlich gut genug sein. Laufen, passen, wirbeln will der hochschulgestärkte Prager sie lehren, kurz: „Wir wollen mehr Spielintelligenz.“ Die großen Gedanken und Ideen brachte bisher nämlich hauptsächlich der kleine Kapitän Gerd Truntschka ein. Jetzt sollen andere nachziehen. Der Naturbursche Dieter Hegen etwa, in Stuttgart für sein 200. Länderspiel geehrt, gibt sich schon alle Mühe. Unlängst hat auch er nachgedacht. Und mit dem Rauchen aufgehört. Erstens „wurde das in den Medien immer so blöd dargestellt“, zweitens kann er ohne möglicherweise noch mehr Tore schießen. „Ich rauch' nicht einmal mehr beim Bier“, sagt der gelehrige Didi, der endlich einmal ins WM-Halbfinale will, stolz. Den im Geheimen selbiges planenden Trainer Bukac wird solches zu vernehmen freuen.
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