piwik no script img

Eine Tonne namens Oskar

GAL und Bundesverbund Wickeldienste, eine  ■ neue Koalition

Welche stolze Mutter, welcher stolze Vater von Nachwuchs im Wickelalter kennt ihn nicht, den ganz persönlichen Müllnotstand? Das Kleine hat mal wieder eine überaus ansehnliche und leider ebenso anschauliche Menge seiner täglichen Häuf- und Bächlein produziert — die Mülltonne quillt über vor verdreckten Windeln. Platz für den sonstigen Müll gibt es kaum noch. Und irgendwie kommt dann ja auch noch das Öko-Gewissen, welches einen mehr oder minder stark plagt.

„Dieses ganze Plastikzeugs, eigentlich sollte man auf Stoffwindeln umsteigen“, denkt sich wenigstens noch so mancher. Zur Tat schreitet kaum jemand. Deckel zu, Schiet weg. Hinzu kommt dann noch die alptraumartige Vorstellung, die Mehrwegwindeln eigenhändig und naserümpfend in der heimischen Waschküche behandeln zu müssen. Davor schreckt selbst die umweltfreundlichste Familie zurück, ganz zu schweigen von der vielen Zeit, die man mit den Waschorgien verbringen müßte.

Doch die guten Leute haben wohl noch nichts vom Bundesverbund für Windeldienste gehört, in dem mittlerweile 40 kommerzielle Windel-Wäscher zusammengeschlossen sind. Die stellen jedem, der danach verlangt, eine kleine Tonne namens Oskar zur Verfügung — Deo-Duft inklusive. Und Oskar schluckt sie alle, die vollgemachten Mehrwegwindeln, von denen man so viel waschmaschinen- frischen Nachschub bekommt, wie der produktive Nachwuchs begehrt. Und selbst preislich gibt es nichts zu meckern. Pro Leasing- Windel fallen Kosten von 40 Pfenning an — Abholung, Bringdienst mit eingerechnet. Und damit schlägt eine Mehrwegwindel, die mindestens 100 der neumodischen Plastikmonster ersetzt, genauso stark zu Haushaltsbuche wie die immer trockene Variante aus der Fernseh-Werbung. Womit man bei zwei weiteren vermeintlichen Problemen angelangt ist: Handlichkeit und Hygiene.

Zwar sorgen Klettverschlüsse mittlerweile für angenehmen Sitzkomfort, doch Stoffwindeln legen Baby nicht so trocken wie der neueste Stand der Windeltechnik. Ein oder zwei zusätzliche Wickel- Sitzungen sind pro Tag schon nötig. Dafür verkürzt sich die Wickelzeit insgesamt von 30 Monaten auf höchstens zwei Jahre. Denn die Kinder merken, daß sie naß sind, und wollen dem entgegenwirken.

Also gibt es im Prinzip keinen Grund mehr, im Pampers-Zeitalter steckenzubleiben. Back to the past oder „Her mit der Baumwollwindel“: So fordert es die Hamburger GAL in einem Bürgerschaftsantrag. Zweieinhalb Milliarden(!) Einwegwindeln fallen jährlich allein in den alten Bundesländern an. In Hamburg bestehen 2,6 Prozent (Volumen) des Hausmülls aus Einwegwindeln — in einigen Stadtteilen sogar vier Prozent. Recycling ist durch die Zusammensetzung nicht möglich. Und auch die ganze Rechnerei, die beweisen soll, daß das Ökosystem durch Mehrwegwindeln

1stärker belastet wird, ist nach GAL-Angaben falsch. Alles in allem sind Mehrwegwindeln wesentlich umweltschonender als Einwegexemplare. Das alles ganz frei nach

1dem Motto: Damit unsere Kleinen auch morgen noch kraftvoll zuscheißen können — mit einwandfreiem ökologischen Gewissen. Gregor Gerlach

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen