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Radioaktive Ablagerungen in Baumscheiben?

■ Münchner Experte erhärtet den Verdacht, daß Tritium für die Leukämie-Fälle in der Elbmarsch verantwortlich ist

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Ist das radioaktive Tritium doch verantwortlich für die Leukämie- Fälle in der Elbmarsch? Dieser Verdacht wurde am Montagabend in Geesthacht erhärtet. Auf einer öffentlichen Veranstaltung nahmen Mitglieder der beiden Expertenkommissionen, die die Ursachen für die Leukämie-Erkrankungen von Kindern in der Elbmarsch aufklären sollen, ebenso Stellung wie Schleswig-Holsteins Umweltminister Berndt Heydemann.

Heydemann hatte zunächst — wie schon zuvor auf einer Pressekonferenz — berichtet, daß trotz aller Anstrengungen keine neuen Ergebnisse vorlägen. Dabei verschwieg der Umweltminister jedoch, daß es neue Hinweise gibt, die radioaktive Strahlen als Auslöser der Erkrankungen verantwortlich machen. Der Münchner Strahlenbiologe Edmund Lengfelder, Mitglied der Kommission, berichtete jedoch später über Untersuchungen an Baumscheiben, mit denen radioaktive Ablagerungen in den Jahresringen aufgespürt werden können. „Vielversprechende Ansätze“, so Lengfelder, deuten darauf hin, daß Beta-Strahlen in das Holz eingelagert wurden. Bemerkenswert wäre dies, da das im Verdacht stehende radioaktive Tritium ein Beta-Strahler ist. Mit endgültigen Ergebnissen rechnen die Forscher für Anfang 1993.

Bereits seit Wochen wird in den Bürgerinitiativen der Elbmarsch gemunkelt, daß Heydemann den Experten einen Maulkorb verpaßt habe, und diese ohne seine Zustimmung keine öffentlichen Aussagen machen dürften.

Sollte sich der Verdacht erhärten, daß sich Tritium in den Bäumen eingelagert hat, droht dem AKW Krümmel und der GKSS die Stillegung. Denn schon vor einigen Monaten hatte die Bremer Atomforscherin Inge Schmitz-Feuerhake im Blut von Kindern und Erwachsenen aus der Elbmarsch eine erhöhte Rate an dizentrischen Chromosomen festgestellt. Schon dieser Befund deutet auf Strahlen als Verursacher der Leukämieerkrankungen hin. Ergebnisse einer weiteren Chromosomenuntersuchung bei Kindern sollen Anfang 1993 vorliegen.

Eugen Prinz und Marion Lewandowski von der „BI gegen Leukämie“ kritisierten die bisherige Arbeit der beiden von den Landesregierungen in Kiel und Hannover eingesetzten Kommissionen als unbefriedigend. So lehnte die Kieler Landesregierung eine Beteiligung des unabhängigen Öko-Instituts ab. Die Bürgerinitiative hatte dies gefordert, damit endlich eine Überprüfung des AKW Krümmel durch unabhängige Wissenschaftler erfolge. Bis jetzt stammen alle Daten über das AKW und die GKSS von den Betreibern.

Kritik auch an Hannover: „Schon vor zwei Monaten“, so Marion Lewandowski, „hatte die niedersächsische Kommission beschlossen, auch das Blut von Erwachsenen aus der Elbmarsch auf Chromosome zu untersuchen. Doch bis heute ist nichts geschehen.“ Dabei sei klar, daß die Chromosomendefekte nach einer gewissen Zeit wieder verschwinden. Dirk Seifert

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