: An der Grenze der Leistungsfähigkeit
■ Gewerkschaft der Polizei braucht mehr Personal, bessere Ausstattung und neue Einsatzleitzentrale
Berlin. Rund 70.000 abgeschlossene Ermittlungsverfahren der Polizei warten bei der Justiz auf ihre Bearbeitung. Ein Großteil ist noch nicht einmal mit einem Aktenzeichen registriert. „Dadurch werden Verfahren für die Bürger erheblich verzögert“, erklärte gestern der Vorsitzende der Berliner „Gewerkschaft der Polizei“ (GdP), Burkhard von Walsleben. Verärgert zeigt sich die DGB-Einzelgewerkschaft auch über die schleppende Annahme von Beweismitteln durch die Staatsanwaltschaft. „Unsere Asservatenkammer quillt über“, klagte gestern Werner Thronicker, Leiter der Fachgruppe Kriminalpolizei bei der GdP. Monatlich fielen bei der Polizei rund 600 Beweismittel aller Art an. Doch nur 200 würden von der Staatsanwaltschaft, deren Räume selbst übervoll seien, übernommen. „Zum Teil müssen unsere Beamten Tatwaffen, Fernseher, Radios und Handwerkszeug in ihren Büros aufbewahren“, berichtete Thronicker.
Bei der Kriminalstatistik malte die GdP gestern ein düsteres Bild. Angesichts der steigenden Zahl von Straftaten stehe die Polizei an der „Grenze ihrer Leistungsfähigkeit“, so von Walsleben. Täglich werden in Berlin rund 1.530 Straftaten angezeigt – vor zwei Jahren waren es noch rund 1.000. Umgerechnet auf einen Tag ergibt sich demnach ein beeindruckendes Bild: Alle zwei Minuten findet ein Einbruch statt, alle sechs Minuten wird ein Kraftfahrzeug aufgebrochen, alle 13 Minuten ein Fahrrad und alle 19 Minuten ein PKW gestohlen. Seit Kriegsende hat die Berliner Polizei mit 37,7 Prozent die niedrigste Aufklärungquote zu verzeichnen, so die GdP.
Wegen der Belastung würden sich die Ermittler nur noch auf „lohnende Objekte“ stürzen und damit die Aufklärungsquote weiter drücken, so von Walsleben. Seine Forderung: mehr Personal und eine bessere Ausstattung mit Büros, Computern, Fahrzeugen und Kommunikationsmitteln, um gegenüber der Kriminalität „in etwa eine Waffengleichheit zu erzielen“. In diesem Zusammenhang forderte die Gewerkschaft auch eine neue Einsatzleitzentrale am Platz der Luftbrücke, nachdem sich das 50 Millionen Mark teure Einsatzleitsystem „ELSY“ der Firma Philips als „Pleite“ erwiesen habe.
Als ein deutliches Signal für ein zentrales Leitsystem wertete die GdP die steigende Zahl von Notrufen, insbesondere aus den Ost-Bezirken. So haben etwa Hellersdorf und Hohenschönhausen keine eigenen 110-Notrufleitungen, sondern werden von Marzahn beziehungsweise Weißensee aus betreut. Etwaige Anrufer müßten dadurch erhebliche Wartezeiten in Kauf nehmen, erklärte von Walsleben. sev
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