: „Die Auwälder der Donau werden nicht sterben“
■ Interview mit Bohuslav Geci, Pressesprecher der slowakischen Regierung
Nachdem am 23. Oktober die Flutung des Donaukanals bei Gabcikovo begann, ist nicht nur der Wasserstand der Donau, sondern auch der Grundwasserspiegel um 1,5 bis 2 Meter gesunken. Doch während Umweltschützer mit einem „Massenwaldsterben“ in den Donau-Auen rechnen, die Brunnen der Dörfer austrocknen, und die Bewohner der Donau-Insel „wohl zum ersten Mal seit der Eiszeit“ im Flußbett spazierengehen können, ist die slowakische Regierung entschlossen, das Staustufenprojekt fertigzustellen.
taz: Mitte Oktober hat die tschechoslowakische Bundesregierung beschlossen, die Flutung des Donaukanals bis zum 2. November zu verschieben und auf das Ergebnis der Diskussion über die Bildung einer internationalen Kommission zu warten. Wenige Tage später ordnete die slowakische Landesregierung dann jedoch die Umleitung des Donauwassers an. Betrachten Sie Gabcikovo inzwischen als rein slowakische Angelegenheit, oder sind Sie weiterhin bereit, die Entscheidungen Prags zu akzeptieren?
Bohuslav Geci: Natürlich muß die Prager Bundesregierung uns vor ihren Beschlüssen konsultieren. Aber ansonsten sind wir bereit, verständliche Entscheidungen zu akzeptieren. Konkret zur Flutung: Eine aus Vertretern der EG, der Slowakei und Ungarn gebildete Kommission traf sich, und Ungarn hat erklärt, daß wir Gabcikovo abreißen sollen. Da wir diese Anmaßung natürlich zurückwiesen, sah die EG keine weitere Möglichkeit zur Vermittlung. Auf was sollten wir also noch warten?
Eine selbständige Slowakei braucht die Anerkennung und die Unterstützung der EG. Im Augenblick sind Sie jedoch dabei, die westeuropäischen Staaten durch Ihr eigenmächtiges Handeln zu verstimmen.
Seit Monaten sind wir bereit, zu verhandeln. Doch die ungarische Regierung fordert von uns stets nur eines. Den Abriß. Dabei sind alle Fachleute, die uns besuchten, Japaner, Kanadier und andere, sich einig, daß es absurd wäre, Gabcikovo abzureißen.
Aber es geht doch nicht um einen Abriß. Die Frage ist, ob das Kraftwerk Strom produzieren soll. Die Frage ist, welche Folgen die Umleitung der Donau für den Fluß und die Auwälder haben wird.
Bei der Planung von Gabcikovo ging es von Anfang an um die Notwendigkeit, das Problem der ständigen Überschwemmungen an der Donau zu lösen. An diese erinnern sich die Bewohner mit Schrecken. Die letzten Tage haben gezeigt, daß die Donau genug Wasser für die Umleitung hat. Daß die Auwälder sterben werden, das behaupten nur die Ungarn.
Aber auch viele Ökologen aus der Bundesrepublik und Österreich.
Kommen Sie in fünf Jahren wieder, und Sie werden sehen, daß die Wälder nicht abgestorben sind. Im Gegenteil. Da sie vor der Flutung zuwenig Wasser hatten, werden sie sich nun vermehren. Wir sind 100prozentig sicher, daß die Wälder nicht sterben, wir haben schließlich bei der Planung des Projekts alle Faktoren berücksichtigt. Bei Gabcikovo sind die ökologischen Folgen so minimalisiert worden, daß wir die wenigen Probleme, die noch entstehen könnten, von heute auf morgen lösen werden.
Gabcikovo ist also weltweit das erste Staustufenprojekt, bei dem wir sicher sein können, daß es die Natur nicht verändert.
Wenn sich ökologische Folgen einstellen, sind wir natürlich bereit, das Kraftwerk stillzulegen, aber das müssen wir erst ausprobieren. Es ist doch ein schwaches Argument zu sagen, ,das Kraftwerk könnte Folgen für die Natur haben, und daher sind wir dagegen‘. Und außerdem: Bei Gabcikovo handelt es sich nicht um ökologische oder technische, sondern um politische Streitfragen.
Sie meinen nationale?
Nein, das ist kein nationaler Konflikt. Alle Parteien, die jetzt im ungarischen Parlament sind, profilierten sich im Kampf gegen den Kommunismus und im Kampf gegen Gabcikovo. Ohne Gesichtsverlust können sie nun nicht für ein Kraftwerk sein, gegen das sie jahrelang kämpften.
Es scheint jedoch wahrscheinlich, daß die EG sich der ungarischen Kritik an Gabcikovo anschließt.
Am 13.11.89 schlug Ungarn uns vor, das gemeinsame Staustufenprojekt zu beenden und auf das ungarische Kraftwerk bei Nagymaros zu verzichten. Wir haben das akzeptiert. Bereits im Januar 90 forderte Ungarn dann jedoch, auch Gabcikovo nicht zu bauen. Im Oktober haben wir der EG vorgeschlagen, eine Kommission zur Diskussion über den Schutz des Grundwassers einzurichten. Das wurde von Budapest abgelehnt. Ungarn ging es also allein darum, das ganze Projekt scheitern zu lassen.
Die EG kennt all diese Fakten nicht, denn Ungarn liefert keine Fakten. So läßt sich der Westen von der vorher erwähnten politischen Seite des Konflikts beeindrucken. Doch wir werden Brüssel sicher von unserem Standpunkt überzeugen können.
Wenn die internationale Kommission, die nun gebildet werden soll, zu dem Ergebnis kommt, daß die Umleitung der Donau zu einer Zerstörung der Auwälder führt, wird die slowakische Regierung dann auf eine Inbetriebnahme des Kraftwerks verzichten?
Wir werden das Urteil dieser Kommission sehr ernst nehmen. Doch es muß natürlich auch begründet sein. Interview: Sabine Herre
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