: Hochspannungsleitungen als Krebsverursacher
■ Schwedischer Elektriker gewann Prozeß/ Staatliche Forschung
Stockholm (taz) – Eine schwedische Pensionskasse hat jetzt erstmals rechtskräftig anerkannt, daß durch elektrische Hochspannung aufgebaute Magnetfelder Krebs auslösen können. In einem gerichtlich nicht mehr anzufechtenden Beschluß wird das Krebsleiden eines 47jährigen Elektrikers auf seine Arbeit in elektromagnetischen Feldern zurückgeführt.
Der Elektriker hatte 22 Jahre bei einer Elektrizitätsgesellschaft gearbeitet, unter anderem in einer Verteilerstation, wo er über längere Zeiträume elektromagnetischen Feldern bei Hochspannung von 10.000 Volt ausgesetzt war. 1991 hatte er krampfartige Anfälle bekommen, die von Gutachtern des Akademischen Krankenhauses in Borlänge auf einen Gehirntumor, ausgelöst durch eben diese magnetischen Felder, zurückgeführt worden sind.
In der Forschung gilt ein krebsauslösendes Risiko durch elektromagnetische Felder von Hochspannungsleitungen als noch nicht endgültig bewiesen. Die Rentenversicherung geht aber aufgrund der vorliegenden Gutachten in diesem weltweit zum ersten Mal gerichtlich anerkannten Fall davon aus, daß es genügend beweiskräftige Anhaltspunkte gibt.
Nach Untersuchungen des staatlichen Arbeitsmilieuinstituts, die auf der Auswertung von 250 Fällen von Leukämie und 261 Fällen von Gehirntumoren basieren, ergab sich bei Personen, die im Bereich elektromagnetischer Felder arbeiteten, ein dreifach höheres Krebsrisiko als normal. Besonders betroffen waren Fahrer von Elektrolokomotiven, Schweißer, Kraftwerksangestellte und Flugpersonal. „Ein in dieser Klarheit für uns überraschendes Ergebnis“, so Birgitta Floderus vom Stockholmer Arbeitsmilieuinstitut.
Bei einem Symposion zum Thema, das kürzlich in Göteborg stattfand, war auch ein klarer Zusammenhang zwischen erhöhtem Leukämierisiko bei Kindern und ihrer Wohnnähe zu Hochspannungsleitungen festgestellt worden. Danach ist das Leukämierisiko von Kindern, die in einer Entfernung von weniger als 50 m zu den Leitungen leben, doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung. Professor Anders Ahlbom vom Institut für Umweltmedizin hatte anhand von 440.000 Personen, die zwischen 1960 und 1985 länger als ein Jahr – bei Kindern kürzer – näher als 300 m von 220- bis 440-Kilovolt-Leitungen entfernt gewohnt hatten, das schwedische Krebsregister ausgewertet.
Für Hochspannungserdkabel fehlen noch Studien, doch haben Messungen der elektromagnetischen Felder ergeben, daß ein Abstand von weniger als 6 bis 7 Metern möglicherweise als gesundheitsgefährdend gelten könnte. Aufgrund dieser Forschungsergebnisse haben in den letzten Monaten zumindest in drei Fällen lokale Behörden in Schweden und Norwegen verhindert, daß Kindergärten bzw. Schulen unter Hochspannungsleitungen neu gebaut werden. Und selbst Jaak Nöu, Chef eines gemeinsamen Sicherheitsprojekts der schwedischen Stromproduzenten und -lieferanten, hält es für erforderlich, die „Aktivitätsräume von Kindern unter dem Gesichtspunkt der Lage von Hochspannungsleitungen zu überprüfen“. Reinhard Wolff
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