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Urdrüs wahre Kolumne

URDRÜS WAHRE KOLUMNE

Auf der Fohlenweide in Overniggeland wacht DAS VOLK in Loden, Tweed und grotesker Campingkleidung nunmehr darauf, daß dort keine Wohncontainer für obdachlose Drogenkranke aufgestellt werden. Das Volk, dieses Volk: Die Onkel und Tanten jenes Kippenberger Jungrudels, das schon brandschatzend gegen Flüchtlingswohnheime die Zeit zwischen Tanzstunde und Nachtgebet totschlug. Wann endlich zwingt eine humanistische Salmonellenbande aus dem Picknick-Korb diese Herr- und Frauschaften dauerhaft auf den Pott? Warum setzt der Herr Zebaoth keine Wirbelstürme in Marsch gegen diese Streiter für stabile Immobilienpreise? Der Teufel soll sie holen, aber subito! (Übrigens: der Wortführer der Platzbesetzer heißt Hasso. Wie jeder vierte doitsche Schäferhund.)

Eine herrenlose Mutter Gottes aus Holz wurde vor dem Portal der Kirche am Ledaweg in Horn gefunden und prompt vermutet die Kripo, daß dieselbe irgendwo gestohlen wurde. In welcher Zeit leben wir denn, wo eine Mutter nicht mehr ins Haus des Sohnes gehen kann, ohne daß daraus gleich ein Verbrechen konstruiert wird?

Sie hätten ihn mal sehen sollen, diesen jungen Ladenschwengel aus der örtlichen Beate-Uhse- Filiale, als er vor zwei Tagen diesen Spray-Slogan von der Schaufensterscheibe entfernen mußte: „Alle Wichser in den Mixer.“ Nun mag man der dreisten Forderung mit einiger Reserviertheit gegenüberstehen - als Bußübung für die Tätigkeit im Kiosk der kaputten Lüste mag die Aktion aber zumindest dem mit hochrotem Kopf arbeitenden Sex-Discounter dienlich gewesen sein...

Zwei Verdammte dieser Erde trollen über den Domshof. Plötzlich reißt der mitgeführte Plastikbeutel, und auf dem Boden zerschellen die mitgeführten Bierflaschen. Fassungslos schreit der eine Stadtstreicher auf den anderen ein: „Du blöder Grüner du — Dosen hätten wir jetzt noch trinken können, aber du willst immer Mehrweg. Siehste ja, was von kommt.“ Wenn die beiden demnächst unter Berufung auf diese Zeilen im Parteibüro vorstellig werden, sollte man ihnen den Entschädigungstrunk nicht verwehren!

Gerade in der Stillen Zeit mit ihren Trauertagen rückt uns die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen ins Bewußtsein, und all der Schindluder, den Therapeuten damit treiben, wird noch offensichtlicher. Springen wir aber dennoch über den Schatten des eigenen Elends mit Sinnkrise, Haarausfall und abgesprungener Fahrradkette und verdeutlichen uns das Leid jener, die regelmäßig ihre Postkarte an Radio Bremen für den Kaffeepott schicken und im entscheidenden Moment versagen: „Hier Martha Bovemann.“ Da brechen Welten zusammen, offenbart sich im Bruchteil einer Sekunde die Quintessenz verlorenen Lebens. Hier zu trösten, das wäre eine Aufgabe, auf die man die Frühstücksradio-Moderatoren viel besser vorbereiten müßte. Nur mit dem schnodderigen „Schreibense nochmal“ jedenfalls ist die Sache nicht aufzufangen. Meint in vollem Ernst Ihr Ulrich Reineking-Drügemöller

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