Kohl und Major demonstrieren Einigkeit

■ Bundeskanzler zeigt Verständnis für britische Probleme mit Maastrichter EG-Verträgen/ Über Jäger-90-Projekt soll „vernünftig“ entschieden werden

Dublin (taz) — Bundeskanzler Helmut Kohl und der britische Premierminister John Major demonstrierten bei ihrem Treffen in Oxfordshire am Mittwoch Einigkeit. Er habe volles Verständnis für die Probleme der britischen Regierung bei der Ratifizierung der Maastrichter EG-Verträge, sagte Kohl zum Abschluß seines eintägigen Besuches: „Ich akzeptiere, daß der Zeitplan allein Sache Großbritanniens ist.“ Allerdings fügte er hinzu, daß die Verträge nicht verändert werden dürfen und vor Ende 1993 in Kraft treten müßten. Eine „À-la-carte-Gemeinschaft“ komme nicht in Frage.

Major hatte bezüglich der Ratifizierung in den vergangenen Wochen mehrmals seine Meinung geändert und war dafür von Gegnern und Befürwortern der europäischen Einheit gleichermaßen heftig kritisiert worden. Nachdem er die Verträge dem Unterhaus zunächst noch in diesem Jahr zur dritten Lesung vorlegen wollte, verschob er die Ratifizierung dann doch auf einen Zeitpunkt nach dem dänischen Maastricht-Referendum. Und schließlich hieß es, Großbritannien werde die Verträge im Mai ratifizieren, auch wenn die DänInnen erst im Herbst abstimmen sollten.

Für seinen unberechenbaren Schlingerkurs machte Major die Labour Party verantwortlich. „Die Regierung kann sich nicht mehr länger darauf verlassen, daß die Labour Party die Verträge unterstützt“, sagte er zu Kohl. Labour hatte in der vergangenen Woche bei der Vorabstimmung gegen Maastricht gestimmt, weil man hoffte, dadurch die Tory-Regierung zu Fall zu bringen. Major löste am Mittwoch weitere Verwirrung aus, als er gegenüber Kohl betonte, daß „der Zeitplan jetzt ziemlich klar“ sei — ohne ihn jedoch näher zu erläutern.

Kohl und Major waren sich auch darüber einig, daß die Gatt-Verhandlungen mit den USA zur Zeit Priorität haben. Mit Kritik an Frankreich, das für das vorübergehende Scheitern der Verhandlungen verantwortlich gemacht wird, hielten sich beide zurück. Kohl ist optimistisch, daß eine „vernünftige Lösung“ gefunden wird, nachdem der irische EG-Kommissar Ray MacSharry von seinem Rücktritt als EG-Unterhändler wieder zurückgetreten ist.

Zur Freude der britischen Regierung ist der Jäger90 wieder auferstanden. „Wir müssen mit allen unseren Partnern reden und zu einem vernünftigen Ergebnis kommen“, sagte Kohl. In Großbritannien interpretiert man den Satz dahingehend, daß sich Bundeskanzler Kohl und sein Verteidigungsminister Volker Rühe in dieser Frage nicht einig sind.

Rühe favorisiert eine Leichtversion des europäischen Kampfflugzeugs, den „Jäger-90-Light“, an dessen Bau auch Frankreich, Schweden und andere Länder beteiligt werden sollen. Die Bundesregierung hat im Sommer den Ausstieg aus dem gemeinsamen Projekt Deutschlands, Großbritanniens, Italiens und Spaniens erklärt. Die britische Regierung prüft zur Zeit, ob die deutsche Entscheidung rechtlich zulässig war. Ralf Sotscheck