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„Gihad“ in Bosnien?

Die Arabische Liga betrachtet den Balkankrieg noch nicht aus einem religiösen Blickwinkel  ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary

An der Eingangstür des ägyptischen Ärtzeverbandes hängt eine große farbige Karikatur. Eine blutende Figur, betitelt als bosnisches Volk, wird von einem serbischen Schlachtermesser in Stücke gehackt. Als Unterlage dient ein Tisch, auf dem UNO geschrieben steht. Abdel Ghafar, der Vorsitzende des ägyptischen Ärzte-Hilfskomitees deutet auf das Poster als Antwort auf die Frage nach den neuesten Aktivitäten des Komitees in Sachen Bosnien. Er wirkt niedergedrückt, nicht nur von den seiner Meinung nach völlig unzureichenden internationalen Reaktionen auf den bosnischen Krieg. „Nach dem Erdbeben, das letzten Monat Ägypten erschüttert hat, kann man von den Leuten kaum verlangen, daß sie für Bosnien spenden“, sagt er.

Dabei hatte alles so gut angefangen. Fünf Millionen Dollar wurden gesammelt und mehrere Ärztekomitees nach Bosnien entsandt. Doch nun konnte man schon seit „mehreren Wochen keine neuen Ärzte mehr „finanzieren“. Zudem gebe es auch keine Pläne, einen Teil der bosnischen Flüchtlinge in der arabischen Welt aufzunehmen. Man wolle schließlich den Bosniern ein ähnliches Schicksal wie den Palästinensern ersparen. Die konnten nach ihrer Flucht nie wieder in ihre ursprüngliche Heimat zurückkehren, erklärt Ghafar die arabische Zurückhaltung.

Auch von offizieller Seite, etwa in der Zentrale der Arabischen Liga in Kairo, gibt es keine solchen Pläne. Nachdem die Liga im September eine Resolution herausgegeben hatte, in der sie sich mit Bosnien solidarisiert und den UN-Sicherheitsrat auffordert, die territoriale Integrität Bosniens zu wahren, sitzt man dort in Wartestellung. „Wir betrachten die bosnische Tragödie nicht aus einem religiösen, sondern aus einem rein humanitären Blickwinkel“, sagt der zuständige Liga-Funktionär Adanan Umran. Ansonsten warte man auf die Entscheidungen der „Organisation der Konferenz der Islamischen Staaten“.

Die nämlich hat zu einer außerordentlichen Konferenz zum Thema Bosnien ins saudische Jeddah am 1.Dezember geladen. Vor allem zwei Punkte dürften die Diskussion der Konferenz bestimmen: die Forderung, das Waffenembargo der UNO gegen Bosnien aufzuheben und Vorschläge über eventuelle Truppenentsendungen aus den islamischen Staaten.

In diesen war in den letzten Wochen verstärkt über ihr Engagement in Bosnien diskutiert worden. Der pakistanische Verteidigungsminister etwa erklärte letzten Sonntag, daß sein Land bereit sei, Truppen zur Verteidigung des bosnischen Volkes zu entsenden. Seine iranischen Kollegen denken in die gleiche Richtung. In einer vom iranischen Radiosender ausgestrahlten Erklärung von letzter Woche bot die Führung der iranischen Streitkräfte den Bosniern jegliche Art materieller und moralischer Unterstüzung an. Der Iran ist bisher der einzige islamische Staat, der die UNO offiziell zur Aufhebung des Waffenembargos gegen Bosnien aufgefordert hat.

Auch in der Türkei bleibt Bosnien ein Thema. Der türkische Ministerpräsident Demirel forderte Anfang dieses Monats die internationale Gemeinschaft auf, „ihrer Verantwortlichkeit nachzukommen und sämtliche Möglichkeiten der UN-Charta auszuschöpfen, um die serbischen Greueltaten in Bosnien zu stoppen.“

Außerdem werden die bosnischen Muslime weiterhin finanziell unterstützt. Der Aufsichtsrat der Islamischen Entwicklungsbank in Jeddah hat am Dienstag seine diesjährige Bilanz vorgelegt, laut derer die Bank 21 Millionen Dollar für Hilfeleistungen in Bosnien zur Verfügung gestellt hat.

Doch für viele Muslime sind alle diese Resolutionen und die gespendeten Gelder für humanitäre Hilfsaktionen nicht ausreichend. Die libanesische Schiitenorganisation Hizbollah etwa will nicht länger warten. Nach Auskünften libanesischer Islamisten in Beirut vom letzten Montag sind bereits Kämpfer der Organisation in Bosnien eingetroffen, um die dortigen Muslime militärisch auszubilden.

Auch in Kairo wirbt die islamistische Opposition dafür, jetzt endlich zur Tat zu schreiten. In einem Flugblatt riefen islamistische Gruppen letzten Monat in den Armenvierteln im Süden Kairos dazu auf, eine islamische Armee zu gründen, und den bosnischem Muslimen so zu helfen, wie auch im Golfkrieg Kuwait geholfen wurde. Die Bevölkerung wurde unter dem Motto „Zahle ein ägyptisches Pfund und kaufe eine Kanone“ aufgefordert, für Waffenkäufe zu spenden. „Wir können uns nicht auf die UNO verlassen und fordern alle Muslime zum Gihad auf“, heißt es am Ende des Flugblattes.

Die angekündigte Veranstaltung fand jedoch nie statt, da sie von der Polizei gesprengt wurde. Der Ort der Veranstaltung, eine Moschee im südlichen Stadtviertel Sayyeda Zeinab, wurde von Bereitschaftspolizei blockiert. Ein Hinweis darauf, daß die Regierung befürchtet, die islamistische Opposition könne das Thema Bosnien für sich monopolisieren.

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