■ Das Portrait: Jerry Rawlings
Jerry John Rawlings ist der Noch-Chef einer Militärregierung und gleichzeitig schon sein eigener demokratisch gewählter Nachfolger. Versucht man sich an einer Charakterisierung des Leader of the Revolution, Staatsoberhaupt Ghanas seit über zehn Jahren, verirrt man sich schnell im Nebel eines charismatischen Bildes, das weite Kreise der ghanaischen Öffentlichkeit mittragen.
Nachdem sein erster Putschversuch am 15.Mai 1979 scheiterte, machte der damals 31jährige seine nachfolgende Gerichtsverhandlung zu einem Tribunal gegen die gesellschaftlichen Strukturen. Damit wurde er zum Hoffnungsträger — und putschte prompt noch mal, drei Wochen später. Zum allgemeinen Erstaunen setzte der junge leader aber nach drei Monaten Wahlen an und gab im September 1979 tatsächlich die Macht ab.
Mit dem neuen Präsidenten Limann kehrte jedoch die Korruption zurück. Rawlings' second coming war nur eine Frage der Zeit; vorsorglich wurde er aus der Armee ausgeschlossen und unter Hausarrest gestellt. Schließlich putschte am 31. Dezember 1981 das Militär erneut. Wieder wurde Rawlings zum Juntaführer, wieder rief er die „Revolution“ aus — und blieb. Das Jahrzehnt des J.J. Rawlings hatte begonnen.
Wer ist er nun, dieser „JJ“? Im Gegensatz zu anderen afrikanischen Staatsführern verlieh er sich nach seiner Machtergreifung keinen höheren Rang; nach wie vor ist er Fliegerleutnant. Während Felix Houphouet-Boigny in der benachbarten Elfenbeinküste Hunderte von Straßen und Plätzen nach sich benennen ließ, ist in Ghana kein Personenkult zu erkennen. Dennoch: Die Rawlings- Jahre waren die repressivsten in Ghanas Geschichte. Die Presse war geknebelt, Regimekritiker wurden eingesperrt oder ins Exil getrieben, politische Parteien wurden erst dieses Jahr zugelassen.
Die Politik des „Fidel Castros Westafrikas“, der jedoch seine Revolution nie zu exportieren versuchte, hat sich im Laufe der Jahre zum Pragmatismus verschoben. Zugeständnisse an IWF und Weltbank brachten einen beispiellosen Fluß an auswärtigen Geldern. Viele ehemalige Unterstützer haben sich infolgedessen von ihm abgewandt. Es scheint an seinem ungebrochenen Charisma zu liegen, daß er letzte Woche doch mit 60 Prozent der Stimmen demokratisch gewählt wurde. Golo Frei/Andy Higgs
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