■ Mit Franklin D. Lamont auf du und du
: Sechsspurig in die Krise

London (taz) – Die längste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg geht zu Ende, behauptet der britische Finanzminister Norman Lamont mit Regelmäßigkeit. Diesmal soll dafür das Maßnahmepaket sorgen, das er in seiner Herbsterklärung zum Ausgabenprogramm der Regierung am Donnerstag dem Unterhaus vorstellte. Vor allem der rechte Tory-Flügel reagierte mit Begeisterung auf das „Jobs-und Wachstum-Paket“ ihres Ministers. Der konservative Abgeordnete Terry Dicks nannte ihn gar „Franklin D. Lamont“ — in Anspielung auf Roosevelt, der die USA einst mit massiven Ausgabenprogrammen aus der Krise führte.

Wie sieht das Konzept des britischen Roosevelt-Verschnitts aus? Der Leitzins wurde gestern um einen weiteren Prozentpunkt gesenkt. Mit sieben Prozent hat er den niedrigsten Stand seit 15 Jahren erreicht. Die Neuverschuldung wird im nächsten Finanzjahr, auf 37 Milliarden Pfund steigen – neun Milliarden mehr, als im Haushalt vorgesehen. Die Wohnungsbehörden erhalten 750 Millionen Pfund, um 20.000 Häuser zu kaufen – Häuser, die leerstehen, weil die EigentümerInnen die Hypotheken nicht mehr bezahlen konnten. Ein Bonbon gibt es für die Autofahrer: Die Steuer auf neue Autos – im Schnitt 400 Pfund – entfällt, die 40 großen Straßenbauprojekte bleiben erhalten. Abstriche werden bei der Eisenbahn und der Londoner U-Bahn gemacht, der Gesundheitsbereich erhält 700 Millionen Pfund weniger als im Wahlkampf angekündigt. Die Lohnerhöhungen im öffentlichen Sektor werden jetzt auf 1,5Prozent begrenzt.

Bei aller rechnerischer Beweglichkeit: Auch jetzt gehen die Zahlen nicht auf. Denn die offizielle Zahl der Arbeitslosen wird schon Anfang 1993 die Drei-Millionen-Grenze überschreiten. Inoffiziell liegt die Zahl der Jobsuchenden sogar bei knapp vier Millionen. So ist die um neun Milliarden Pfund aufgestockte Neuverschuldung nur Augenwischerei: Ein Großteil des Geldes geht für die Kosten der Arbeitslosigkeit drauf. Für die Verbesserung der Infrastruktur bleibt nicht mehr viel übrig. Lamont muß dafür auf das Vertrauen der Privatwirtschaft in seine Politik setzen. Die billigste Möglichkeit für vertrauensbildende Maßnahmen ließ Lamont aber aus: seinen Rücktritt. Ralf Sotscheck