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Tricky Helmuth

■ Klammheimlich wurde Hamburgs SPD-Asylkompromiß zum Modell für Bonn / Nur die Medien war Frahms Vorschlag zu kompliziert

zum Modell für Bonn / Nur die Medien war Frahms Vorschlag zu kompliziert

Die Aufgabe schien unlösbar: Hier die Front der Asyl-Populisten um Engholm, Lafontaine und Voscherau, welche dem Ruf von Straße und CDU folgend das deutsche Asylrecht aushebeln wollen. Dort die Front Asyl-Nostalgiker, die eine Verteidigung von Artikel 16 als rote Herzensangelegenheit betrachten. Mußten diese beiden Züge nicht auch in Hamburg aufeinanderrasen? Würde Stadtchef Voscherau die mehrheitlich grundgesetztreue Partei mit der Vertrauensfrage erpressen? Würde sich Hamburgs labile SPD-Führungsriege am 26. Oktober 1992 auf dem Asyl-Sonderparteitag selbst in die Luft sprengen, wie es den bayrischen LeaderInnen Renate Schmidt und Peter Glotz kurz darauf wiederfuhr, als ihr Pro-Engholm-Votum gnadenlos niedergestimmt wurde?

Hamburgs SPD-Parteichef Helmuth Frahm hält selbst herzlich wenig von einer Änderung des Artikels 16. Die Engholm-Linie hält er darüber hinaus schon handwerklich für untauglich. Nun wird man aber nicht SPD-Landesparteichef, um Bürgermeister oder Bundesvorsitzende abzuschießen. Andererseits

1gibt einer wie Frahm nicht allein aus Taktik die inhaltliche Überzeugung auf.

Sein Kompromißvorschlag, auf dem Parteitag am 26. Oktober mit Hilfe Voscheraus siegreich, ist unter innerparteilich-taktischen Gesichtspunkten schlichtweg genial: Eine Änderung von Artikel 16 wird gestattet, aber an Voraussetzungen gebunden, die das Asylrecht schützen. Zudem wird jede Änderung an die Verabschiedung eines Gesamtpaketes (Einwanderungsgesetz ...) gebunden.

Gipfel der Raffinesse: Das Ganze wurde als Verhandlungsauftrag für einen Aysl-Deal mit der Bonner Regierungskoalition verschnürt. So kann Voscherau hoffen, am Ende sei allein das O.K. zur Grundgesetzänderung wichtig, die Hamburger Bedingungen könne man in den Verhandlungen mit der CDU schlicht übergehen. Voscheraus Gegner dagegen hoffen, dank ihrer Bedingungen werde es nie zu einer Einigung mit den Christdemokraten kommen. Und: Sollte Engholm am Ende doch sein Verhandlungsmandat beschlußwidrig überreizen, sei man immerhin selbst sauber geblieben.

Frahms Mehrfachsprengkopf zündete: Er erwies sich als Integrator, blieb in der Sache hart, wies der Bundespartei einen Weg zum Kompromiß. Einziger Fehler: Tricky Helmuth überforderte die Öffentlichkeit. Die Medien waren verwirrt: Was nun? Asyl ja, Asyl nein, Engholm wiebitte?! Kennzeichnend dafür die Fernsehnachrichten direkt nach Ende des Hamburger Parteitags: Das ZDF vermeldete einen Sieg der Engholm-Linie, die ARD machte einen Kompromiß auf Basis von Gerd Schröder aus. fm

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