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Absturz in die Mittelmäßigkeit

■ Steffi Graf schied in der 1.Runde des Masters aus/ Martina Navratilova kämpft gegen Diskriminierung

Berlin (taz/dpa) – Einigermaßen Vergleichbares war Steffi Graf zum letzten Mal 1991 in Paris widerfahren. Auch dort spielte sie unerklärlicherweise völlig verkorkstes Tennis und ging sang- und klanglos mit 0:6, 2:6 unter. Nur hieß die Gegnerin damals immerhin Arantxa Sanchez-Vicario, und das Mißgeschick passierte im Halbfinale der French Open. Nun, beim New Yorker Masters-Turnier der sechzehn besten Tennisspielerinnen, erwischte es die Weltranglistenzweite noch um einiges härter.

Vor 13.000 Zuschauerinnen und Zuschauern, die ihren Augen kaum trauten, verlor sie im Madison Square Garden ihr Erstrundenmatch gegen die Nummer 18 der Welt, Lori McNeil, mit 6:7 (1:7), 4:6. Seit dem Oktober 1985, als sie in Brighton gegen die Engländerin Jo Durie den kürzeren zog, hatte Steffi Graf nicht mehr gegen eine so niedrig plazierte Spielerin verloren, und es war das erstemal in ihren letzten hundert Turnieren, daß sie nicht mindestens ins Viertelfinale kam.

Dabei hatte anfangs absolut nichts auf das Debakel hingedeutet. In den letzten Wochen befand sich die 23jährige in ausgezeichneter Form, hatte vier Turniere in Folge gewonnen, zuletzt souverän das Finale von Philadelphia gegen jene Sanchez-Vicario, die sie 1991 in Paris so erschreckt hatte. In New York schien sie ihre Erfolgsserie nahtlos fortzusetzen. Gegen die schwarze Amerikanerin aus Kalifornien fing sie äußerst stark an und lag im Handumdrehen 5:1 in Führung. Dann kam der Knacks. Die 28jährige Lori McNeil kämpfte sich Spiel um Spiel heran, und als der Tie-Break begann, war der Faden bei Steffi Graf bereits gerissen. McNeil holte ihn sich mit 7:1.

Im zweiten Satz spielte die Amerikanerin sicher und solide, während ihre Gegnerin panisch die verschiedensten Schläge probierte, mit der Rückhand, die von McNeil sadistisch penetrant angespielt wurde, reihenweise Fehler beging und zeitweise vollkommen desorientiert wirkte. Vom überraschten Publikum begeistert angefeuert, verschaffte sich die krasse Außenseiterin beim Stande von 5:4 einen Matchball, den sie per Netzroller verwandelte.

„Ich will so schnell wie möglich weg von hier“, sagte Steffi Graf, sonst eingefleischte New York- Liebhaberin, nach dem fatalen Match, und das Jahr 1991, in Philadelphia von ihr noch als „gutes Tennisjahr“ definiert, wandelte sich in ihrer Einschätzung flugs zu einem „mittelmäßigen“.

Die Nummer eins, Monica Seles, die ihr Erstrundenmatch gegen die Französin Nathalie Tauziat klar für sich entschied, thront weiter in einsamer Höhe, und Steffi Graf hat erstmal sechs Wochen Urlaub. Zeit genug, den Schock von New York zu verarbeiten. „Ich glaube, das werde ich nicht so leicht wegstecken“, hatte sie nach der Niederlage befürchtet, „es ist frustrierend, wenn man ein solches Jahr mit solch einem Match beendet“.

Die „größte Spielerin aller Zeiten“, wie die Schweizerin Manuela Malejewa ihre klare Bezwingerin Martina Navratilova nannte, macht derweil nicht nur auf dem Tennisplatz Schlagzeilen. Weit mehr Wirbel verursacht Martina Navratilovas Kampf gegen die bigotte Bürgerschaft ihres Heimatstaates Colorado, die in einem Volksentscheid mehrheitlich die Diskriminierung von Homosexuellen befürwortet hatte. 53 Prozent stimmten für die Aufhebung eines Beschlusses, der die Benachteiligung von Schwulen und Lesben unter Strafe gestellt hatte. „Das ist eine Schande für dieses Land“, zürnte die 36jährige und drohte mit Auswanderung: „Ich bin nicht bereit, meine Steuern an einen Staat zu bezahlen, der Leute wie mich zur Nicht-Person erklärt.“ Martina Navratilova reichte Klage ein und kündigte an, „so vehement wie möglich“ gegen diesen Zustand ankämpfen zu wollen.

Wäre George Bush wiedergewählt worden, hätte sie „Trauer getragen“, von Bill Clinton verspricht sich die Tennisspielerin jedoch Unterstützung bei den Bemühungen, die Köpfe ihrer Landsleute zurechtzurücken, von denen sie allerdings keine sonderlich hohe Meinung hat: „Ahnungslosigkeit macht glücklich, denn wer sich nicht informiert, muß nicht nachdenken.“ Matti

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