: Südafrikas „Dritte Kraft“ kommt an den Tag
■ ANC fordert Rücktritt der Regierung wegen „heimtückischer Kampagne“
Johannesburg (taz) – Mit Dementis und einer Krisenbesprechung des Kabinetts versuchte die südafrikanische Regierung gestern, den Schaden skandalöser Enthüllungen über geheime Pläne des militärischen Nachrichtendienstes (MI) zu begrenzen. Der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) hat bereits den Rücktritt der Regierung gefordert.
Denn Richter Richard Goldstone, Vorsitzender einer ständigen unabhängigen Kommission zur Untersuchung der politischen Gewalt, hatte am Montag abend vor der Presse bekanntgegeben, daß der berüchtigte Mörder Ferdie Barnard bis Ende letzten Jahres beim Militär angestellt war. Er sollte zusammen mit Drogenhändlern und Verbrechern ANC-Mitglieder in kriminelle Aktivitäten verwickeln, um so die Organisation in Mißkredit zu bringen. Präsident Frederik de Klerk hatte immer wieder dementiert, daß während der Verhandlungen zwischen Regierung und ANC Sondergruppen der Sicherheitskräfte gegen den ANC vorgingen.
Goldstone betonte, daß Militärführer von dem Projekt wußten, aber auf Presseanfragen im Dezember bestritten hatten, daß Barnard für das Militär arbeitete. „Es war in hohen Kreisen bekannt, daß ein solches Dementi unwahr war“, sagte Goldstone.
Auch Verfassungsminister Roelf Meyer ist von dem Skandal betroffen. In den Unterlagen wird behauptet, er habe, damals noch Verteidigungsminister, Barnards Entlassung angeordnet, nachdem dessen Name in der Presse genannt wurde. Meyer bestritt das am Dienstag. Die Unterlagen seien gefälscht. Er habe von Barnards Verbindung zu MI erst jetzt gehört. Meyer ist der wichtigste Unterhändler der Regierung in den Gesprächen mit dem ANC und gilt als Vordenker der jüngeren, fortschrittlicheren Fraktion im Kabinett. Die Zweifel über seine Glaubwürdigkeit belasten die Kontakte mit dem ANC besonders schwer.
„Wir haben nichts zu verstecken“, hatte de Klerk noch am Montag in einem Fernsehinterview gesagt. „Es gibt keine Dritte Kraft. Dessen sind wir uns sicher. Die Regierung hat die Sicherheitskräfte fest in der Hand.“ Wenige Stunden später machte Goldstone die Geheimpläne des Militärs publik, die Mitarbeiter der Kommission bei einer Durchsuchung von MI-Büros entdeckt hatten. De Klerk reagierte: „Dabei geht es um wenige Einzelpersonen. Wenn wir Hinweise dafür erhalten, daß Mitglieder der Sicherheitskräfte gegen die Grundregeln der Unparteilichkeit verstoßen, werden wir Schritte ergreifen.“
„Die Regierung hat vor aller Welt behauptet, daß sie bereit ist, die Ergebnisse von Verhandlungen zu akzeptieren“, hieß es in einer ANC-Erklärung am Montag. „Aber gleichzeitig hat sie eine heimtückische Kampagne der Fehlinformationen und Propaganda geführt, um den ANC zu zerstören.“ Der ANC unterstützte Goldstone, der umfassende Vollmachten für seine Kommission forderte, um die Sicherheitskräfte, private Sicherheitsfirmen und bewaffnete Gruppierungen, die Verbindungen mit politischen Parteien haben, zu untersuchen. Der UNO-Sicherheitsrat hatte dies im August empfohlen. Goldstone sagte, seine Mitarbeiter hätten Hunderte von Ordnern in den MI- Büros entdeckt, aber nur sieben Ordner, in denen Barnard erwähnt wurde, beschlagnahmt.
Richter Goldstone kritisierte auch, daß das Militär bereit war, Barnard anzustellen, obwohl er wegen zweier Morde zu langen Haftstrafen verurteilt worden war. Ein hoher Militäroffizier empfahl sogar, Barnard offiziell eine Schußwaffe auszuhändigen, obwohl Mörder nach südafrikanischem Gesetz keine Waffen besitzen dürfen. Barnard war bis 1989 auch Mitglied einer Geheimeinheit des Militärs, die eine Reihe von Mord- und Sabotageanschlägen gegen den ANC verübte.
Barnard ließ am Dienstag von seinem Anwalt eine Erklärung verbreiten, in der er sagt, daß sein Projektvorschlag zur Diskreditierung des ANC nie aktiviert wurde. Aber der ANC und Menschenrechtsgruppen behaupten seit langem, daß Geheimgruppen der Sicherheitskräfte politische Gewalt schüren, um den ANC zu schwächen. Goldstone betonte am Montag, daß seine Informationen zwar keinen schlüssigen Beweis für die Existenz einer „Dritten Kraft“ lieferten. Dennoch gebe es jetzt „einige Hinweise“ dafür.
Die Goldstone-Kommission war dem MI-Projekt auf die Spur gekommen, als sie einen Zeitungsbericht überprüfte. In dem Bericht hatte ein ehemaliger mosambikanischer Soldat behauptet, daß er im Auftrag der Polizei an Mordanschlägen in der Provinz Natal teilgenommen hatte. Die Polizei habe sein Hotelzimmer bezahlt. Die Kommission stellte jedoch fest, daß die Hotelrechnung von MI bezahlt wurde.
Die Beziehungen zwischen der Regierung und dem ANC hatten sich in den letzten Wochen verbessert. Am Montag, vor Goldstones Enthüllungen, hatte der ANC bestätigt, ein intensives bilaterales Treffen mit der Regierung werde vermutlich noch diesen Monat stattfinden. Das scheint nun unwahrscheinlich. Hans Brandt
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