: Sitzt der falsche Erich in Moabit vor Gericht?
Dritter Verhandlungstag im Prozeß gegen Honecker/ Befangenheitsantrag abgelehnt ■ Aus Berlin Matthias Geis
Sitzt der falsche Honecker vor Gericht? – Das jedenfalls will Rechtsanwalt Hans Ekkehard Plöger, Vertreter der Nebenklage im Honecker-Prozeß, nicht ausschließen. Es sei immerhin denkbar, daß „der falsche Honecker aus Moskau zurückgekommen“ sei. „Man muß“, so Plöger, „mit so ungewöhnlichen Umständen rechnen.“
Sein Antrag an die 27.Große Strafkammer: Identitätsprüfung für Erich Honecker beziehungsweise dessen Double. Darauf habe der Mann auf der Anklagebank ein Recht. Falls es sich nicht um Honecker handle, müsse sein Doppelgänger „sofort aus der Haft entlassen werden“.
Honecker-Verteidiger Ziegler geht das dann doch zu weit: „Bei allem Respekt für die Nebenklage, man sollte auf solche Clownerien hier verzichten.“ Das Gericht lehnte den Antrag ab. An der Identität hege es keinen Zweifel.
Neben Plöger skurilem Auftritt verlief der dritte Prozeßtag gegen Erich Honecker und seine drei verbliebenen Mitangeklagten, erwartungsgemäß: gestellte Anträge der Verteidigung werden abgelehnt, neue Anträge werden gestellt. Erstmals schöpfte das Gericht die volle Verhandlungszeit von drei Stunden aus.
Zu Beginn wies das Gericht den Befangenheitsantrag der Honecker-Verteidigung gegen den Vorsitzenden Richter Bräutigam im vollen Umfang zurück. Die verlesene Begründung der 51.Großen Strafkammer: Es liege kein Grund vor, der das Mißtrauen des Angeklagten in die Richter rechtfertigen würde. Ebensowenig gebe es Hinweise auf eine Manipulation der richterlichen Zuständigkeit des Vorsitzenden Richters.
Honecker-Verteidiger Ziegler nannte die Begründung, „an rechtsstaatlichen Maßstäben gemessen, deprimierend.“ Sein Kollege Nicolas Becker übernahm dann die Begründung eines weiteren Antrages: Abtrennung und Einstellung des Verfahrens gegen Erich Honecker sowie Aufhebung des Haftbefehls. Becker begründete den Antrag mit dem Gesundheitszustand des 80jährigen. Zugleich erklärte er den Gutachter, Professor Hans-Jörg Kirstädter, auf dessen Aussagen sich das Gericht bei der Entscheidung über Honecker Verhandlungsfähigkeit berufen hatte, für befangen. Unterstützt wurde diese Einschätzung durch einen Brief eines anderen Gutachters, Professor Volker Tänzer, an das Gericht. Die Verteidigung will Honeckers Gesundheitszustand jetzt zum Gegenstand der Hauptverhandlung machen. Verteidiger Plöger: das Verfahren wird „zu einem Ärzte-Prozeß heruntergewirtschaftet.“
Die Besorgnis des Nebenklage- Vertreters Rüdiger Börgen, es gebe kaum Zeit, um „über das Schicksal der Betroffenen zu reden“, wird sich zumindest für die nächsten Prozeßtage bewahrheiten. Börgen stellte seinerseits einen Befangenheitsantrag gegen Richter Michael Abel. Dieser habe einen Antrag seines Mandanten auf Prozeßkostenhilfe falsch beurteilt.
Siehe auch Seite 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen