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Ein Jahr der Tücken und ein Chor der Unkenrufe

■ Ein kurze Chronik zum ersten Jubiläum des Stephan Barbarino / Eigene und fremde Fehler erschwerten den Neustart

zum ersten Jubiläum des Stephan

Barbarino/Eigene und fremde Fehler erschwerten den Neustart

Am 7. November 1991 verkündete Kultursenatorin Christina Weiss ihren Entschluß, Stephan Barbarino, der bis dahin zwei Inszenierungen an den alten Kammerspielen gemacht hatte, zum neuen Intendanten zu berufen. Trotz eines beispiellosen Konzertes von Unkenrufen und diversen Konflikten, die das junge Theaterexperiment beinahe hätten scheitern lassen, gelang es dem jungen Regisseur, mit einer kleinen Crew das Theater weiterzuführen und aus den Niederungen der Kulturpolitik vorläufig zurück in die Rezensionsflächen der Feuilletons zu manövrieren.

Stürme hat es ja wahrlich genug gegeben. Nachdem die Nachfolgerin der im Februar 1989 verstorbenen Prinzipalin Ida Ehre, Ursula Lingen, am 16. Juli 1991 hatte Konkurs anmelden müssen, tobte einige Wochen der Kampf um das Haus mit merkwürdigen Koalitionen und mit vielen Verlierern. Als Barbarino dann den Zuschlag erhielt, sprachen GAL und CDU von einer „Billigvariante“, weil er versprochen hatte, mit 1,3 Millionen Mark Subventionen auszukommen, was gemeinhin als illusorisch eingeschätzt wurde.

Als dieser mit den dann bewilligten 1,42 Mio. Mark beginnen wollte, seine neue Theater-GmbH aufzubauen, holte ihn erst einmal die Vergangenheit ein. Im Februar transportierte die Staatsanwaltschaft 600 Stehordner mit den Akten der alten Kammerspiele ab und eröffnete ein Untersuchungsverfahren gegen die ehemaligen Geschäftsführer Ursula Lingen und Hans-Jürgen Simmersbach. Gleichzeitig schwelte der Konflikt zwischen den ehemaligen Mitarbeitern und dem Abwicklungs-Geschäftsführer Eberhard Stephani über einen Sozialplan, der sich im April in der Öffentlichkeit entlud. Inzwischen hat der alte Betriebsrat den Rechtsweg beschritten, um, ausgehend von der Annahme einer rechtlichen Übernahme der Kammerspiele durch Barbarino, diesen in die Pflicht zu nehmen.

Am tiefsten in die Krise riß sich Barbarino allerdings selber durch seine schlechte Hand bei der Partnerwahl. Als er Mitte Juni erstmals sein Konzept vorstellte, saß an seiner Seite mit Thomas Friese, Inhaber der Mode-Kette Thomas- I-Punkt, ein neuer Gesellschafter, an dem er nicht lange Freude haben sollte. Anfang September waren der Textilkaufmann und der Theaterchef wieder geschiedene Leute. Es hatte eine Schlacht getobt, in deren Verlauf die weitere Subventionszusage für die Kammerspiele an einem seidenen Faden gehangen hatte. Hätten sich Friese und Barbarino nicht geeinigt, hätten Hardy Homann vom Neuen Theater und Fritz Kurz, der Musical-Patron, Ge-

1wehr bei Fuß gestanden, um aus der Sprechbühne ein kommerzielles Musik-Theater zu machen.

Doch die Einigung, bei der es um mehrere hunderttausend Mark gegangen war, gelang und mit der Pullover-Fabrikantin Iris von Arnim wurde schnell eine neue Gesell-

1schafterin gefunden, die, anders als Friese, an der Führung des Theaters keinen Anteil haben will.

Nun gilt es erst einmal, die Probleme eines jeden neuen Theaters zu lösen, nämlich das Publikum zu interessieren. Doch Barbarino ist sich sicher, daß dieses mit seinen

1nächsten eigenen Produktionen, dem Kinderstück vom „Sams“, das heute um 15 Uhr Premiere hat, mit „Edmund Kean“ (3. Dezember) und schließlich mit Shakespeares „Richard III.“ (mit dem Kabarettisten Michael Quast in der Hauptrolle) gelingen wird. tlb

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