: Impfen oder nicht impfen?
■ Kritiker halten Impfungen für gefährlicher als die Krankheiten, vor denen sie schützen sollen. Die Gesundheitsbehörde warnt jedoch vor zunehmender Impfmüdigkeit und gefährlichen Folgen nur scheinbar ...
jedoch vor zunehmender Impfmüdigkeit und gefährlichen Folgen nur scheinbar »harmloser« Kinderkrankheiten
Viele Eltern sind verunsichert, vor welchen Krankheiten sie ihr Kind durch eine Impfung schützen sollen. Die Ratschläge sind sehr unterschiedlich. Aus der anthroposophischen Ecke kommt die Auffassung, daß überstandene Krankheiten gut für die seelische Entwicklung und auch die Stärkung des Immunsystems seien. Viele Schulmediziner hingegen warnen vor gefährlichen Folgen und Komplikationen der nur scheinbar „harmlosen“ Kinderkrankheiten. Extreme Impfgegner lehnen jeden gespritzten oder geschluckten Schutz ab: aus religiösen Gründen wie die Zeugen Jehovas, oder wegen gefährlicher Impfschäden wie der Arzt Gerhard Buchwald, der darin nur ein gigantisches Geschäft der Pharmaindustrie sieht (siehe Interview).
Die Hamburger Ärztekammer und die Gesundheitsbehörde dagegen warnen vor zunehmender Impfmüdigkeit. Den süßen Stoff gegen die grausame Kinderlähmung schlucken zwar 81,5 Prozent der vier- und fünfjährigen HamburgerInnen, und auch an der Diphtherie- und Tetanus-Impfung nehmen mehr als 80 Prozent teil. Aber gegen Keuchhusten sind nur 3,5 Prozent, gegen Röteln nur sechs Prozent der Schulkinder geimpft, beklagt die Gesundheitsbehörde, und auch der Anteil der Schulanfänger, der gegen Masern, Mumps und Röteln geschützt ist, sei zu gering. In keinem Hamburger Bezirk würden hier „Durchimpfungsraten“ von 90 Prozent erreicht, die für das von der Weltgesundheitsorganisation formulierte Ziel der „Ausrottung dieser Infektionskrankheiten bis zum Jahre 2000“ ausreichen würden. So jedenfalls die Behörde in ihrer „Stadtdiagnose“.
Die in den Niederlanden wieder aufgetretene Kinderlähmung sei einwandfrei auf ungenügendes Impfen zurückzuführen, betont Ärztekammerpräsident Dr. Rolf Bialas. Auch in Deutschland wachse die Gefahr einer Übertragung des Polio-Virus, „da gegen Polio ungeschützte Volksgruppen den Virus mitbringen können, ohne selbst daran zu erkranken“, so Bialas. Deshalb sei es unbedingt notwendig, daß Säuglinge und Kleinkinder jetzt im November und zu Beginn des nächsten Jahres zu den Schluckimpfungsterminen der Bezirke kommen. Bialas nennt die Impfmüdigkeit unverantwortlich.
Im Sommer wurden Hamburger Schulen und Kindergärten von regelrechten Masern-Epidemien heimgesucht. Die Aktion Sorgenkind warnt, Masern seien keine harmlose Krankheit, wie viele Eltern glaubten. Gefürchtet seien Komplikationen durch Mittelohr- oder Lungenentzündungen und vor allem eine Schädigung des Gehirns. Auf
1rund 2000 Masernerkrankungen würden Ärzte mit einer Enzephalitis rechnen, mit oft lebenslanger geistiger Behinderung als Folge. Eine Rechnung, die der Impfkritiker Buchwald wiederum schlicht für falsch hält: Tausende von Kindern, die Masern zu Hause (und harmlos) durchmachen, seien nicht erfaßt. Vera Stadie
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