piwik no script img

Ortsbesichtigung: Das Museum für verborgene Kunst

50 qm Galerieraum sind für Frauen reserviert: Ein agiler Gegenpol zum hiesigen Kunstbetrieb  ■ Von Tanja Stidinger

Verborgenes: das 13. Zimmer im Märchen, das immer verschlossen bleibt, hohe Mauern, die den Blick auf das Dahinterliegende verbergen, Kunst von Frauen im Hinterhof.

Im Erdgeschoß links liegt das kleine „Museum für verborgene Kunst“, dessen Leiterinnen die Kunst- und Kulturgeschichte um jene Hälfte erweitern wollen, die weiblich heißt. Seit sechs Jahren hat der Verein „Das Verborgene Museum. Dokumentation der Kunst von Frauen e.V.“ die Galerie in Charlottenburg gemietet. 50 Quadratmeter, reserviert für Ausstellungen von Malerinnen, für Fotografinnen und Architektinnen. Freiraum für Frauenkunst.

Weißgetünchte Wände, hohe Fenster, die den Blick freigeben auf einen begrünten Hinterhof und eine alte Statue auf dem Nachbargrundstück bilden mitten im hektischen Berlin eine Oase für KunstliebhaberInnen. Doch so romantisch es auch wäre, der Ort hat nicht zur Namensgebung inspiriert. Fast jeder, lacht die Geschäftsführerin Marion Beckers, würde das vermuten. Das „Verborgene“ ist als Verweis auf die Werke von Künstlerinnen gedacht, die in den Archiven und Depots öffentlicher Museen verstauben und nur selten einem Publikum zugänglich gemacht werden. Dieses „imaginäre Museum“ kam während der 750-Jahr-Feierlichkeiten in Berlin zum erstenmal ans Tageslicht. 250 Werke von über 150 Malerinnen wurden von einer Künstlerinnen-AG aus allen Museen Berlins zusammengetragen und unter dem Titel „Das Verborgene Museum“ in der Akademie der Künste ausgestellt. Aus der Arbeitsgruppe entwickelte sich ein Verein, der 1986 die Räume für das Museum anmietete. Die Ausstellung wurde zum Auslöser einer intensiven und kontinuierlichen Aufarbeitung weiblicher Kunstgeschichte. Denn, so ergab die Recherche der Frauen des „Verborgenen Museums“, weibliche Kunsttradition scheint nicht zu existieren. „Auch in großen zeitgenössischen Ausstellungen kommen Künstlerinnen und ihr Werke nur zu einem geringen Prozentsatz vor. Das wird als repräsentativ empfunden, und genau dagegen versuchen wir einzuwirken“, resümiert Marion Beckers. Kunst von Frauen wird von den Museen kaum angekauft, schlecht archiviert und selten ausgestellt.

Zu retten, was zu retten ist, könnte die Devise des kleinen Museums sein. Bislang „verschollene“ Kunst von Frauen soll erforscht, ihr Lebenswerk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und den Museen weitervermittelt werden. „Wir sehen uns als Durchlauferhitzer, um endlich Künstlerinnen publik zu machen“, erläutert Marion Beckers das Vereinskonzept. Ein Schwerpunkt liegt auf der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Sechzehn Einzel- und Themenausstellungen fanden bisher in der Schlüterstraße einen Platz. Unter anderem Fotografien der fast völlig unbekannten Marianne Breslauer und ihrer Kollegin Eva Besnyö, Skulpturen der Lidy von Lüttwitz und Werke der Ostberliner Malerin Heidrun Hegewald. Vor kurzem ging die Ausstellung der verstorbenen Malerin Gerda Rotermund – eine Wiederentdeckung des Verborgenen Museums – zu Ende. Lesungen und Konzerte, vervollständigen die Präsentationen. Und auch dieses Begleitprogramm wird ausschließlich von Frauen gestaltet. „Wir sind mehr ein Forum, als eine Galerie oder ein Museum“.

Die Möglichkeit, in einem Frauenmuseum auszustellen wird von den Künstlerinnen selbst – sofern sie noch leben – begrüßt. „Manch alte Dame hat zunächst gestutzt und meinte: ,Huch, da komm‘ ich ja in die Frauenecke‘, aber nur im ersten Moment. Danach war das kein Thema mehr“, erinnert sich Marion Beckers. Ein Ghetto für Künstlerinnen und ihr ×uvre will das Museum, das keines ist, auch nicht sein. Unreflektierte Lobeshymnen auf „die weibliche Kunst“ wird man hier kaum hören. Warum auch? Eine deutsche Imitation des National Museum of Women in the Arts, wie es in Washington existiert, strebt in Berlin niemand an. Kunst von Frauen, so das engagierte Plädoyer der Geschäftsführerin Beckers, sollte nicht getrennt sein von den Werken ihrer Kollegen: „Ich will, daß Frauen auch in den ,Männermuseen‘ vorkommen, daß sie dort sichtbar werden. Dann kann man auch endlich sehen, daß sie so gut sind wie die Männer.“ Bis diese Utopie verwirklicht ist, sei das Verborgene Museum nicht mehr als ein „notwendiges Übel“.

Ein Stachel im männerdominierten Kunstbetrieb, der unermüdlich bohrt, aber auch eine nervenaufreibende Arbeit, die immer häufiger Abgrenzung nötig machen würde. Immer noch arbeiten fünf der sechs Frauen ehrenamtlich. Die finanzielle Unterstützung, die der Senator für Kultur gewährt, reicht derzeit für knapp drei Ausstellungen pro Jahr. Mehr ist nicht drin. Unterm Strich bleibt den Vereinsfrauen nicht viel mehr als ihr Idealismus und Schuldenberge auf den Privatkonten. Umstände, die manchmal am Sinn der Arbeit zweifeln lassen. „Man gibt nicht gerne etwas auf“, gibt Marion Beckers nachdenklich zu, „aber wenn man letztlich nie etwas einlösen kann, wenn wir nicht qualitätvollere Arbeit für Künstlerinnen machen können, dann muß sich was verändern.“ Gerne würde sie größere Themenausstellungen präsentieren oder mit öffentlichen Museen kooperieren, doch ersteres scheitert am Geld und letzteres an den Museen. Die „Berührungsängste“ sind nach wie vor groß. Es bleibt ein seltenes Ereignis, wenn einmal ein Kollege die laufende Ausstellung besucht oder sich über die Pläne des Vereins informiert. Einzig die Ausstellung der Fotografin Marianne Breslauer hatte den erhofften „Durchlauferhitzer“-Effekt, den das Museum des Verborgenen erzielen möchte. Zwei Jahre nachdem die Bilder der Breslauer im Hinterhof zu sehen waren, widmete die Neue Nationalgalerie in Berlin der Künstlerin eine Sonderausstellung. „Ohne uns“, da ist sich Marion Beckers sicher, „wären die nie auf die Idee gekommen.“ Aber zugeben würden sie das nie.

Am 13. Dezember findet in den Räumen des Museums, in der Schlüterstraße 70, eine Auktion mit Werken zeitgenössischer Berliner Künstlerinnen statt. Vorbesichtigung täglich ab dem Nikolaustag.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen