■ Grüne, Bündnis 90 und die Geschlechterdemokratie: Szenen vor der Ehe
Die Hochzeit ist beschlossen, das Aufgebot bestellt, beim Namen hat das hoffnungsfrohe Paar noch seine Probleme, aber das wird sich richten. Nur in der westlichen Verwandtschaft gibt es einige störrische Frauen, die den Ehevertrag für allzu männerfreundlich halten. Wenn die beim Jawort pfeifen, wird dann die Orgel um so lauter spielen? Allerorten ist zu hören, Bündnis 90 und Grüne hätten sich gütlich geeinigt. Auch bei der umstrittenen Quotierung sei ein vertretbarer Kompromiß gefunden. Tatsächlich?
Auf Bundesebene bleibt die 50-Prozent-Quote zugunsten von Frauen bestehen. Auf Länderebene aber hat das Bündnis 90 weitgehende Ausnahmeregelungen erwirkt. Die paritätische Besetzung der Wahllisten gilt für die neuen, ostdeutschen Landesverbände bis Anfang 1995 lediglich als Soll-Bestimmung. In diesem Zeitraum aber liegen just die Wahlen für den Bundestag und die Landtage. Die raren und begehrten, die politisch attraktiven und gutdotierten Plätze, wer wird sie wohl bekommen? Raten Sie nicht, wir wissen doch, Qualität setzt sich immer durch!
Das Bündnis 90 hat zu Recht gegenseitigen Respekt für die unterschiedlichen Erfahrungen beansprucht. Doch warum wird ausgerechnet die Frage der Geschlechterdemokratie als „Überstülpung“ verstanden? In Zeiten, in denen die SPD eine 40-Prozent-Quote eingeführt hat und selbst Union und Liberale sich darauf zubewegen, wird dem Bündnis nicht irgendein spinnertes grünes Prinzip zugemutet, sondern Offenheit für eines der wichtigsten gesellschaftspolitischen Themen erwartet. Das Bündnis 90 steht ein für demokratische Erneuerung, für die Rechte der Bürgerinnen und Bürger. Im sogenannten Grundkonsens mit den Grünen hat es anerkannt, daß eine demokratische und zivile Gesellschaft demokratische Verhältnisse zwischen Frauen und Männern zur Voraussetzung hat. Warum dann diese Halbherzigkeit?
Aber auch auf grüner Seite haben Männer wie Frauen in den Verhandlungen offenbar mit zu wenig Nachdruck und Überzeugungskraft für ein politisches Essential ihrer Partei geworben. Die Grünen hatten eine gesellschaftliche Vordenkerinnenrolle. Es stünde ihnen gut zu Gesicht, Quotierung und Frauenstatut erneut auf die Tagesordnung zu setzen, wofür die morgige Tagung der Verhandlungskommission und die Sondertagung des Länderrates nochmals Gelegenheiten bieten. Anderenfalls sind beide dabei, ein für die ostdeutschen Länder äußerst wichtiges politisches Signal zu verpassen. Gerade weil dort die Frauen die schwierigsten und widersprüchlichsten Erfahrungen mit der Vereinigung machen, stehen Grüne und Bündnis 90 in der Pflicht, gegen die Tendenz der Ausgrenzung die politische Repräsentanz von Frauen auf allen Ebenen zu gewährleisten. Helga Lukoschat
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