: Mit News in den Quotenkampf
■ Mehr Infotainment auf dem Schirm – Schaut wer hin?
85 Nachrichtensendungen bieten deutsche Fernsehsender mittlerweile täglich ihren ZuschauerInnen an: Allein zwischen sechs und neun Uhr wird 22mal über die Neuigkeiten des Morgens informiert. Seit Monaten ist der Kampf um Marktanteile voll entbrannt. Noch beherrschen die öffentlich- rechtlichen Anstalten ARD und ZDF mit Abstand das Feld: 38 beziehungsweise 40 Prozent beträgt bei ihnen der Informationsanteil am Programm (ohne Sport), bei Sat.1 sind es 20, bei RTL nur 15 Prozent.
Doch die privaten Anbieter setzen nach ihren Erfolgen in der Unterhaltung nun auch in diesem Programmsektor auf Offensive. Neben der Herausforderung des bislang fast uneinnehmbar scheinenden Vorsprungs von ARD und ZDF bei den Einschaltquoten reizt sie vor allem die Tatsache, daß sich das Programmangebot an Spielfilmen erschöpft und immer mehr Zuschauer über die ständigen Wiederholungen stöhnen.
Seit dem Golfkrieg vom Beginn des letzten Jahres hat sich nach übereinstimmender Meinung von ExpertInnen die Behandlung der Nachricht verändert: Informationssendungen werden immer stärker wie Unterhaltungsangebote offeriert („Infotainment“). Schnellten schon während des Golfkriegs die Einschaltquoten in die Höhe, so wiederholte sich dieser Vorgang einige Monate später beim Putsch in Moskau und beim Ausbruch des Krieges im ehemaligen Jugoslawien.
Mitten hinein in den Wettbewerb der bestehenden Sender stoßen in den nächsten Wochen private Anbieter in den Markt, die sich einzig auf das Informationsangebot beschränken wollen: Mit n-tv (u.a. Time-Warner) startet am 30. November in Berlin ein Nachrichtenkanal mit dem Neuesten rund um die Uhr. Wenige Wochen später folgt Vox von den Bertelsmännern, der sich immer mehr von der reinen Nachricht entfernt und sich nun für ein nur noch „informationsbetontes“ Programmschema entschieden hat. Offenbar plant auch CNN, der erste weltweite News-Channel, ein deutschsprachiges Nachrichtenprogramm zu etablieren.
Angesichts dieses massiven Angebots reagiert man auch bei ARD und ZDF mit eigenen Projekten. Die ARD will das ungeliebte eigene Satelliten-Kulturprogramm Eins Plus in einen Deutschen Informationskanal (DIKA) verwandeln. Der Vorteil bestünde in den sofort verfügbaren technischen Sendemöglichkeiten und kaum größeren Kosten. Das ZDF hat ein Angebot sowohl von der ARD als auch von CNN zur Mitarbeit erhalten. Mit der Entscheidung wird zum Jahresende zu rechnen sein.
Schon warnen ExpertInnen und MacherInnen davor, daß es bald mehr Kanäle als Krisen geben könnte, „denn es gibt gar nicht so viele Nachrichten, daß man einen Sender 24 Stunden damit füllen kann“, wie RTL-Chef Helmut Thoma meint. Doch etwas anderes beunruhigt die Fernsehgewaltigen mittlerweile viel mehr: Neuesten Fernsehforschungen zufolge gehört das Bild des informationshungrigen Zuschauers ins Reich der Fabel. Der Nürnberger Fernsehforscher Michael Darkow hat ermittelt, daß an einem normalen Fernsehtag 45 Prozent der erwachsenen ZuschauerInnen keine einzige Nachrichtensendung gesehen hatten. Hannes Bahrmann, dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen