: Stepanovic: „Ich mag solche Spiele nicht“
■ Beim Schalker 0:0 gegen Frankfurt sitzen die Rassisten auf der Haupttribüne
Gelsenkirchen (taz) – Vor dem Spiel gegen Eintracht Frankfurt posierten einige Schalker Anhänger, unter ihnen Präsident Günter Eichberg, auf der Laufbahn des Parkstadions mit einem Plakat: „Schalke-Fans gegen Rassismus“. Eine vom Zeitgeist geforderte Aussage, die ein Zeichen setzen sollte. Eine Aussage, die eine gute Stunde später jedoch teilweise revidiert werden mußte. Als Anthony Yeboah, bis dahin der einzige Farbige von insgesamt drei ausländischen Profis auf dem Platz, der einzige, der rein äußerlich als „Fremder“ identifiziert werden konnte, zum ersten Mal in diesem Spiel zu einem Dribbling über zehn, zwanzig Meter ansetzte, geschah es. Etliche Besucher der Haupttribüne (!) nutzten die nun ausreichende Zeit, ihr Maul zu einem Kreis zu formen und deutlich hörbar dumpf-stumpfe „Uh-Uh- Uh“-Rufe auszustoßen. Ein Ritual, das sich auch für den später eingewechselten Nigerianer Augustine Okocha mühelos wiederholen ließ.
Die Treuen in der Nordkurve schwiegen, während entfesselte Sitzplatzbesucher in Schalke den Affen machten. Vielleicht ein weiteres Argument gegen Sitzplatzstadien, wahrscheinlich aber eher die Aufforderung an alle, die sich als Nicht-Rassisten bezeichnen, auch wirklich zu demonstrieren, daß sie mit der „Scheinasylanten“- Rostock-Fraktion nichts zu tun haben wollen. Man kann auch anderes als „Attacke!“ schreien, „Nazis raus!“ wäre etwa eine Alternative. Und warum nicht auch mit Trompeten-Ouvertüre, Müllermilch- Käppi und auf einem RH-Altrad balancierend, wenn es anders eben nicht geht.
Und das Spiel selbst? Üblicherweise werden torlose Unentschieden als langweilig und fade empfunden, weil es eben an den Toren fehlt. Mit Schalke gegen Frankfurt verhielt sich das etwas anders. Die neunzig Minuten waren ungenießbar, weil es bei kontrollierter Offensive mal rauf, mal runter ging. Die Ordnung im Spiel war vorhanden, es hätten sogar Tore fallen können, ein Endstand von 2:1 oder 1:2 war möglich. Dennoch war es ein Spiel, das auch bei drei Toren langweilig geblieben wäre. So zäh und unerträglich war es, wie die Spiele der Mannschaft, deren Trainer das Wort von der „kontrollierten Offensive“ geprägt hat, einem häufig vorgekommen sind: kaum eine Spur von spielerischer Genialität, lediglich das Nach-Spielen einer universell einsetzbaren Schablone. Kicken ohne Inspiration, ohne intelligente Taktik. Hin- und herschieben. Und es ist hier nicht von den San Francisco 49ers (ohne Joe Montana) die Rede, sondern von Werder Bremen (unter Otto Rehhagel).
Daß Schalke 1992/93 in Heimspielen weniger für Ideenreichtum und schönes Spiel verantwortlich ist, war schon vor dem Samstag bekannt. Sogar der Präsident, der sich im Hauptberuf als Besitzer von Kliniken zur Krampfaderentfernung Verdienste um das „gepflegte Bein“ erworben hat, gewissermaßen als Ästhet bezeichnet werden könnte, setzte im Vorwort der Stadionzeitung auf bedingungslosen Kampf. Die Spieler gehorchten, wenn auch nicht immer bedingungslos. Es hätte dem Spiel nur gut getan.
So wäre es an Eintracht Frankfurt gewesen, an Uwe Bein [der gepflegte Ästhet; d.S], Tony Yeboah und Manni Binz, das Spiel wirklich auch zum Spiel werden zu lassen. Doch es kam nichts. Es war zum Verzweifeln. Beins Pässe trudelten oft in den Freiräumen der gegnerischen Hälfte aus, Yeboah wurde von Thomas Linke zugedeckt, und als er endlich seine Chance bekam, scheiterte er freistehend gleich zweimal hintereinander an Holger Gehrke im Schalker Tor.
Bei Manni Binz hatte man das Gefühl, als liefe er permanent gegen eine Wand an, und so sehr er auch dagegen ansprang, drüber kam er nicht und hindurch schon gar nicht – er blieb immer stecken. Genauso wie die Eintracht, wie Schalke und das ganze Spiel. Das Fazit eines vergeudeten Samstagnachmittags zog Dragoslav Stepanovic, Trainer der Hessen und als Ballkunst-Liebhaber ausgewiesen: „Ich mag solche Spiele nicht.“
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