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Rücktritt als demonstrativer Akt

■ Ärztekammerpräsident Huber kritisiert Seehofers Reformplan

Berlin. Die Berliner Ärtzekammer fordert schon lange eine Reform des Gesundheitswesens. Der Bonner Entwurf des Gesundheitsstrukturgesetzes jedoch sei an drei Punkten zu kritisieren, sagte Ärztekammerpräsident Ellis Huber gestern. Einheitliche Verhältniszahlen für bedarfsgerechte Versorgung seien „Blödsinn“: Die soziale und gesundheitliche Lage der Bevölkerung in Kreuzberg oder Bitterfeld sei anders als im Bayerischen Wald. Verschärfte Zulassungsregelungen verhinderten die strukturelle und inhaltliche Umgestaltung der ambulanten Versorgung. Die Ausgabendeckelung für Krankenhäuser und Arztpraxen sollte Sparlasten gerecht verteilen.

taz: Sie haben für den Fall, daß dieser Entwurf unverändert Gesetz wird, ihren Rücktritt angekündigt. Warum?

Ellis Huber: Wenn ich zurücktrete, ist das ein demonstrativer Akt gegen die Unvernunft der Bonner Gesundheitspolitik. Bonner Politiker aller Parteien übereignen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Krankenkassen das Recht zu bestimmen, wieviel Ärzte die Bevölkerung braucht. Diese signalisieren bereits, daß sie dieses Recht restriktiv nutzen werden. Faktisch sind wir dann schnell bei einem Niederlassungsstopp in der ambulanten Versorgung. Die bereits niedergelassenen Kassenärzte erhalten behütete Reservate.

Wie sieht Ihre Alternative aus?

Die Bevölkerung möchte nicht weniger Ärzte, sondern mehr Ärzte, die mehr Zeit für sie haben und sich umfassender kümmern. Eine qualitativ hochwertige und trotzdem preiswerte Versorgung braucht mehr Arzt und weniger Medizin, das heißt weniger Arzneimittel und weniger Diagnostik. Wir brauchen mehr psychosoziale und -therapeutische Kompetenz.

Wie hat die Berliner Ärzteschaft auf Ihre Drohung reagiert?

Ich bekomme laufend Anrufe und Zuschriften, das nicht zu tun. Die Ärzteschaft in Berlin steht hinter den Änderungsvorschlägen der Ärztekammer. Wohl kommen aus konservativen Kreisen Vorwürfe, daß ich mit meiner harschen Kritik an den Verhaltensweisen während der ärztlichen Demonstrationen dazu beigetragen hätte, daß die Bonner Politik dieses Gesetz durchsetzen könne. Es geht auch um meine Glaubwürdigkeit als innerärztlicher Reformer. Wenn die Bonner Politiker wissentlich in ein Gesetz Regelungen reinschreiben, die die innerärztlichen Reformer schwächen, muß ich Konsequenzen ziehen. Mir ist diese Funktion nicht wichtig. Es ist höchste Zeit für neue Gesichter, auch als Ausdruck einer breiten Umorientierung der Berliner Ärzteschaft.

Für wie breit halten Sie diese Umorientierung?

Berlin betreibt schon seit Jahren eine andere Medizin als die in Westdeutschland. Die Berliner Kassenärzte verordnen weniger Arzneimittel, pro AOK-Patient sind das zwischen 40 und 200 Mark pro Jahr, das sind hochgerechnet vier Milliarden.

Wird sich die Position der Ärztekammer nach dem Rücktritt ändern?

Nein, die Mehrheitsverhältnisse bleiben ja die gleichen. Ich habe keineswegs resigniert, sondern werde als Delegierter der Ärztekammer und als Vorstandsmitglied weiterhin organisatorisch für die Berliner Ärzte tätig bleiben. cor

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