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Nachschlag

■ Ivan Stanevs „Lapsus Linguae“ im Podewil

Die Lesung versprach etwas Besonderes zu werden. Der Rumäne Ivan Stanev wollte, so die Ankündigung, für sein neustes Buch „Lapsus Linguae“ gemeinsam mit seinem Ensemble eine „theatralische Leseform“ finden und damit insgesamt sieben Abende im ehemaligen Haus der Jungen Talente gestalten. Jedoch, es kam anders. Die Truppe hatte die selbstgestellte Hausaufgabe nicht bewältigt, der Text blieb untheatralisiert und wurde vom Autor selbst derart monoton und nuschelig gelesen, daß nur mit äußerster Anstrengung vereinzelte vorbeirauschende Textfragmente aufgefangen werden konnten.

Was zu vernehmen war, erwies sich als postmoderne Weltschmerzprosa, angesiedelt irgendwo zwischen betroffener Innerlichkeit und plattitüdenhafter Zeitkritik. Bierernst und bedeutungsschwer erschlugen Stanevs Formulierungen jeglichen Humor bereits im Embryonalstadium. Eine hoffnungslos überfrachtete Metaphorik tat ihr übriges – Sätze wie: „Die Neubauten sind die Sarkophage der Neuzeit“ oder „Sie stand aber im Türrahmen, schwarzer Schatten im schwarzen Dasein der Zeit“, ließen den Intellekt unangenehm aufstoßen.

Da Ivan Stanev offenbar nicht den ganzen Abend aus seinem „Mittelmaßmanifest“ nuscheln wollte, hatte sich die Truppe entschieden, als theatralen Teil des Abends Stanevs Theaterstück „Brüderchen und Schwesterchen“, das sie bereits in den Vormonaten im Podewil aufgeführt hatte, noch einmal auf die Bühne zu bringen. Neben einer auffälligen Häufung von Gewaltmetaphern und Analvokabeln – als zeitgemäßer Literaturpreis sollte vielleicht endlich einmal das goldene Töpfchen verliehen werden – fiel vor allem die wenig differenzierte Spielweise der AkteurInnen auf. Auf daß auch der tumbeste Tor merke, daß die Figuren des Stückes nicht als Charaktere, sondern als schablonenhafte Typen angelegt sind, rannten insbesondere die männlichen Darsteller die ganze Zeit mit ebenso absurd geschminkten wie verzerrten Gesichtern durch die Gegend und sagten all das, was halt mächtige Makler, konsumgeile Luxusweibchen, coole Killer und raffgierige böse Schwiegermütter nach landläufiger Meinung zu sagen haben.

Stanevs Versuche, durch stilistische Anleihen bei anderen AutorInnen – an einigen Stellen ließ Elfriede Jelinek laut und vernehmlich grüßen – dem Stück einen gewissen Sprachwitz hinzuzufügen, konnten das Opus leider nicht retten. Ständig beschlich einen der Verdacht, ähnliches an anderer Stelle schon besser gehört zu haben. So erwies sich denn schließlich der letzte Satz des Dramas als sein schönster: „Ende gut, alles gut.“ So war es. Sonja Schock

Ivan Stanev: „Lapsus Linguae“. Die restlichen Teile der Lesung finden im Podewil, Klosterstraße 68/70 (Mitte) statt, und zwar morgen abend und vom 1.12. bis zum 4.12., jeweils um 20 Uhr.

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