■ Kommentar: Überall Bettnässer
So einfach ist das für die CDU. Wer fragt, wie teuer der Olympia- Express wird und ob der eigens zu entwickelnde Zug wie geplant auf vorhandenen Eisenbahngleisen pendeln kann, ist ein Bettnässer. Der „neuen olympischen Disziplin der Miesmacherei“ begegnen die Regierungsfraktionen mit dem fragwürdigen Argument eines „gemeinsamen Ziels“: den Zuschlag bei der Olympia-Bewerbung zu bekommen. Und bei der Bewerbung wuchert Berlin mit dem Express als „Herzstück des innerstädtischen Verkehrskonzepts“. Sollte der Sonderzug für Sportler, Funktionäre und Journalisten auf das Abstellgleis gefahren werden, würden sich Berlins Chancen beim Kampf um die Wettkämpfe weiter verschlechtern. Verständlich, daß dies weder Senat noch Koalitionsfraktionen in Kauf nehmen möchten.
Doch Probleme lassen sich nicht dadurch lösen, daß Senatoren und Politiker vor ihnen die Augen verschließen. Nicht ohne Grund will die Reichsbahn für den Sonderzug keinen Pfennig ausgeben. Der Zug rechnet sich nicht, weil er und manche neueingerichteten Bahnhöfe nach den Spielen nicht mehr zu gebrauchen sind. Doch mit dieser Einweg-Idee wird auch kein anderer privater Investor anzulocken sein. Der Tresor der Landeskasse ist ebenfalls geplündert. Und wenn dann der Olympia-Express nicht auf vorhandenen Eisenbahngleisen fahren kann – ob nun aus Sicherheitsgründen oder weil im Fahrplan der Eisenbahnen kein Platz vorhanden ist –, werden einige Millionen Mark zusätzlich benötigt. Es sei denn, das „Herzstück“ wollte man in diesem Fall sterben lassen.
Wer aber auf der Oppositionsbank Olympia-Feinde nur deshalb ausmacht, weil dort die richtigen Fragen gestellt werden, disqualifiziert sich selbst. Denn eines ist klar – die Mitglieder des IOC werden sich genausowenig für dumm verkaufen lassen wie die Abgeordneten im Verkehrsausschuß. Wer die Jury-Mitglieder des IOC ebenfalls als Bettnässer beleidigen will, wird Berlins Chancen für Olympia nicht verbessern. Dirk Wildt
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