: Hooligan hat gelogen: Opfer war unbewaffnet
■ Tod von Silvio Meier: 17jähriger Messerstecher widerruft frühere Aussage/ Weiterer Hooligan von der Polizei verhaftet
Berlin. Überraschende Wendung im Fall des getöteten Hausbesetzers Silvio Meier: Entgegen seiner ersten Aussage gab der 17jährige Berufsschüler, der sich am Montag gestellt hatte, gestern zu, mit dem eigenen Messer Silvio Meier und dessen Freunde angegriffen zu haben. Bei der ersten Vernehmung hatte er noch behauptet, er habe im Verlauf des Streits in der U-Bahn-Station Samariterstraße dem 27jährigen Silvio Meier dessen Messer entwendet und erst danach zugestochen.
Zugleich widerrief er auch die Behauptung, ein Freund aus der Gruppe von Meier habe ihn mit einer Schreckschußpistole beschossen und dabei am Kopf verletzt. Wie der Leiter des 4. Mordkommissariats, Manfred Vogt, gestern gegenüber der taz versicherte, habe sich der 17jährige die Schußwunde eine Stunde vor der Tat zugefügt, um den „anderen in der Gruppe seinen Mut zu beweisen“. Bevor der 17jährige seine Aussage in Teilen korrigierte, war am Dienstag abend ein 16jähriger aus Friedrichshain verhaftet worden. Nach Aussage von Vogt hat dieser mittlerweile gestanden, ebenfalls mit einem eigenen Messer auf „zwei bis drei Personen in der Gruppe von Meier“ eingestochen zu haben. Unklar sei bisher, wer Silvio Meier die tödlichen Stiche zugefügt habe. Wie tags zuvor der Berufsschüler bezeichnete sich auch der 16jährige gegenüber den Vernehmern als „Hooligan“.
Nach Vogts Angaben bestätigten die gestrigen Vernehmungen weitgehend die Aussagen von Meiers Freunden, wonach deren Gruppe nach den ersten Rempeleien auf dem Zwischendeck zunächst zum Bahnsteig hinuntergestiegen sei. Erst als aus der Gruppe des 17jährigen Berufsschülers „etwas Provozierendes“ hinter den Hausbesetzern hergerufen worden sei, hätten diese geantwortet: „Wenn ihr Streß haben wollt, kommen wir zurück.“
Die Gruppe der Täter hat nach Informationen der Kripo aus sieben Personen bestanden. Ein dritter, ebenfalls 16jähriger Jugendlicher aus Friedrichshain sei bereits vernommen worden und habe im wesentlichen den neu dargestellten Tatverlauf bestätigt. Nach den anderen vier Begleitern, darunter zwei Mädchen, wird derzeit noch gefahndet. Die Polizei geht nun davon aus, daß sich neben den beiden Tatverdächtigen die anderen männlichen Jugendlichen „ohne Tatwerkzeuge und möglicherweise nur mit Fäusten“ an der Auseinandersetzung beteiligt haben. Vogt verteidigte gestern die Pressepolitik seiner Behörde. Zum Vorwurf, er habe die erste Version des 17jährigen Täters als weitgehend glaubwürdig dargestellt, meinte er: „Wenn wir mit Informationen hinter dem Berg halten, nimmt uns das die Presse krumm. Andersherum ist es auch wieder falsch.“ Severin Weiland
Siehe Reportage auf Seite 23
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