: Wortschläge gegen Sinnleere
■ Konturen Freies Theater mit "Die Boxer - die Spieler" von Konrad Bayer im Theatron
mit Die Boxer-die Spieler von Konrad Bayer im Theatron
Ein schräg abgekipptes Schachbrett dient als Ring. In ultraviolettem Lichte bewegen sich die beiden Kämpfer mit durch Gesichtsfarben bedingten fluoreszierenden Anlitzen vor Boxplakaten („Muhammed Ali gegen Karl Mildenberger“) und Sandsäcken. Doch mit den Fäusten wurde nicht gekämpft im Theatron bei der Premiere von Die Boxer – Die Spieler nach Konrad Bayer. Worte unserer Sprache waren die Waffen, mit denen sich die beiden Darsteller Peter Per und Michael Steuer über 15 Runden bekämpften. Die Bühnenumarbeitung des Fragments des Wiener Avantgardisten Bayer besorgte das Konturen Freie Theater.
Bei der nur mäßig besuchten Premiere am Mittwoch abend ging es in den ersten Runden um die Vorzüge des Sprechens. „Ich liebe es zu sprechen“, war von der Bühne zu vernehmen. Der träge Anfang, das langsame Abtasten der Gegner erschwerte es den Zuschauern, gerne zuzuhören. Die Lust, dem Geschehen im Ring zu folgen, kam erst bei späteren, nicht minder in den Nonsense abgleitenden Sprechsituationen auf, etwa dem Klagen eines Yuppies über das harte Leben an den kalten Buffets dieser Welt oder aber der Kampf der Worte über das Thema Rassismus. „Ehrlich – Sauber – Deutsch“ gegen „Wir sind alle Ausländer – Fast überall“.
Die Kunst der Hiebe wurde als metaphorische Handlungsebene ausgewählt, weil die Akteure dort nur den Gesetzmäßigkeiten des Kampfes unterworfen sind, somit nur ein Ziel haben: den Sieg. Die Sprache wird als Instrument gesellschaftlicher Konventionen benützt, die als Spiegel der Herrschaftsstrukturen Verstehen, Verständnis und Einverständnis nur vorgaukelt. Das verrät zumindest eine im Programm enthaltene Collage, ohne deren Lektüre das Bühnengeschehen nur sinnentleert wirken würde.
Durch die Aufnahme aktueller Situationen und Schauplätze in die Inszenierung dieses Werkes des 1964 verstorbenen Konrad Bayer ist es zumindest zeitweise auch für Nicht-Linguisten erträglich, diesem Kampf zu folgen. Kai Rehländer
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