: »Grunzen, Quieken und Pfeifen« in der Kunsthalle
■ Der Museumspädagogische Dienst, ein Kind der 70er Jahre, hat den »pädagogischen Hammer« aus der Hand gelegt
Seit 1979 besteht der Museumspädagogische Dienst (MPD) als Institution innnerhalb der Hamburger Kulturbehörde. 14 festangestellte und rund 120 freie Mitarbeiter beschäftigt der MPD in den sieben staatlichen Museen der Hansestadt und der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. In seiner anfänglichen Ausrichtung war das Konzept ein Kind der 70er Jahre und ihrer alles durchdringenwollenden emanzipatorischen Ideen. Aber „mit dem pädagogischen Hammer“, so Antje Kelm, Leiterin des MPD in der Kulturbehörde, werde hier längst nicht mehr operiert. „Die Museen in ihrer Bildungsarbeit unterstützen“ lautet heute die Selbstdefinition der „sanften“ Museumspädagogik, und zudem hat sich diese Einrichtung auch auf dem sogenannten Freizeitsektor Terrain erobert.
Offenbar mit Erfolg: Die Programme des MPD in den Hamburger Museen verzeichnen „insgesamt wachsende Besucherzahlen“, sagt Antje Kelm, in einigen Häusern gebe es sogar einen regelrechten „Boom“, was den Andrang bei den Veranstaltungen betrifft. Nicht nur daran gemessen ist der MPD sowohl personell wie finanziell eher dürftig ausgestattet, 1990 wurde der Etat erstmals aufgestockt. 400000 Mark standen 1992 zur Verfügung, 30000 Mark mehr wurden für das nächste Jahr in Aussicht gestellt.
Die Hälfte des Etats wird für die Museumsgespräche mit Schulklassen benötigt. Denn die gibt es natürlich nicht nur in der Kunsthalle. Und natürlich orientieren sich die Angebote auch darüber hinaus an den „jeweiligen Spezialitäten“, wie es Antje Kelm nennt: In den kulturhistorischen Museen wie dem Museum für Hamburgische Geschichte werden kleine Rollenspiele zum Thema „Auswanderung“ einstudiert. Oder die Fantasie ist gefragt, wenn es darum geht, die „Wasserversorgung einer ständig wachsenden Stadt“ zu sichern. Im Harburger Helms-Museum gibt es Brotbacken à la Steinzeit und im Museum der Arbeit kann die Entwicklung der Drucktechnik an den alten Maschinen studiert werden.
Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Kulturen dieser Welt werden im Museum für Völkerkunde veranschaulicht, angeboten werden hier Maskenbau und Werkzeugbasteln. Das Museum für Kunst und Gewerbe gewährt Einblick in die Geschichte der Gestaltung, und das Altonaer Museum schließlich verrät einiges über die Lebensgewohnheiten norddeutscher Vorfahren. Eine gänzlich andere Art Spurensuche wurde mit „Internationalen Jugendworkcamps“ unternommen, die mehrfach auf dem Gelände des ehemaligen KZ Neuengamme stattgefunden haben.
Häufiger auf „aktuelle Anlässe, Jubiläen und drängende Fragen der Zeit zu reagieren“, dazu, bedauert Antje Kelm, sei der MPD leider meist „personell total überfordert“. Wo dies geschieht, etwa mit Sonderausstellungen, sind Sponsorengelder vonnöten. Die Hamburger Wasserwerke unterstützen die aktuelle „Wasser“-Ausstellung im Planetarium, die Gesundheitsbehörde die „Cholera“-Ausstellung Der blaue Tod im Altonaer Museum.
In der zentralen Koordinationsstelle des MPD in Barmbek wird über neue Konzepte für das kommende Jahr nachgedacht, zum Beispiel über ein „spezielles Programm für Senioren, das sich ihren Fragen und Problemen stellt“, sagt Antje Kelm. Jörgen Bracker, Direktor des Museums für Hamburgische Geschichte, hat dem bereits in Eigenregie vorgegriffen: Er stellte vorgestern die erste „Museumsführung für ältere Mitbürger“ vor, die künftig zweimal in der Woche stattfinden soll.
Auch Jugendliche über das Alter der 12- bis 14jährigen hinaus möchte die Leiterin in Zukunft „stärker kulturell ansprechen“. Sich auch im Rahmen der Museumspädagogik den Fragen der „kulturellen Einigung Europas“ und der „Ausländerfrage“ anzunehmen, seien weitere Prioritäten.
In der Zusammenarbeit mit den Hamburger Museumsleitungen gibt es laut Antje Kelm keine Probleme. Den Direktoren wird noch nicht einmal der absolute Renner im MPD-Programm zu bunt: „Kinder-
1geburtstag im Museum“ heißt das flotte Spiel. Ob mit „Familie Biedermeier“ im Museum für Kunst und Gewerbe, „Afrika-Rallye“ im Völkerkundemuseum oder „Grunzen, Quieken, Pfeifen“ in der Kunsthalle — dieser wenn auch für die leiblichen Erzieher etwas kostenaufwendige Service ist fast immer ausgebucht. Mechthild Bausch
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