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Späte Trauer

KOMMENTAR

Späte Trauer

Fahnen auf Halbmast, Betroffenheit in der Bürgerschaft, Mahnminuten an den Schulen, seitenweise Berichte über die Angst der Ausländer, Stadtchef und Parlamentspräsidentin an der Spitze eines Trauermarsches zu Ehren der Opfer von Mölln. Hamburg trauert. Zu spät.

Diejenigen, denen jetzt die Aufmerksamkeit (mehr als?) einen Augenblick lang gewährt wird, haben schon lange versucht, auf die Gefahr hinzuweisen, die ihnen droht. Das Bündnis Türkischer Einwanderer wurde vor rund sieben Jahren gegründet, als Antwort auf einen Angriff, bei dem ein Türke von Skinheads zusammengeprügelt worden war. Anfang der Achtziger Jahre wurden Vietnamesen Opfer eines Anschlags auf ein Ausländerwohnheim. Von den alltäglichen Diskriminierungen gar nicht zu sprechen. Die Zeichen waren deutlich, lange bevor die Asyldiskussion die Meinung hoffähig machte, Ausländer seien ein Problem, auch für diese Stadt.

Wenn Hamburg heute trauert, dann sollte man sich Gedanken darüber machen, was in den vergangenen Jahren versäumt wurde. Am Anfang dieser Versäumnisse steht nicht die allzu große Lässigkeit in der Anwendung des vielzitierten Gewaltmonopols des Staates gegenüber dem Rechtsradikalismus. Am Anfang stand auch nicht die von Henning Voscherau gern zitierte „demokratische Grundwelle“ mit Namen Ausländerfeindlichkeit, der man sich nicht entgegenstellen könne. Am Anfang steht eine Politik, die es nicht geschafft hat, den Rahmen für eine wirkliche Integration ausländischer Mitbürger zu schaffen. Eine Politik, die, als es schon zu spät war, sich auch in Hamburg vorwiegend mit der Asylrechtsdebatte befaßt hat, statt sich mit den Ursachen der Ausländerfeindlichkeit auseinanderzusetzen. Uli Exner

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