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Sind Neonazis nur bemitleidenswerte Glatzen?

■ Film über Rechtsradikale trotz vorheriger Absage im Kino „Babylon“ gezeigt

Berlin. Entgegen offizieller Ankündigungen wurde der Film „Stau – Jetzt geht's los“ am Mittwoch abend dann doch im Kino „Babylon“ gezeigt. Ursprünglich sollte der Film, der den Alltag und die Ansichten von sechs Skinheads und Neonazis aus Halle-Neustadt dokumentiert, seine Berliner Premiere im „Berliner Ensemble“ haben. Der Regisseur Thomas Heise ist dort selbst Regieassistent. In Flugblättern drohte ein Teil der Berliner Autonomen, die Aufführung des Films zu stören, weil er ihrer Meinung nach den Faschismus verharmlose. Daraufhin sagte die Leitung des Berliner Ensembles aus Angst vor Ausschreitungen die Vorführung ab. Bereits bei der Uraufführung in Halle war es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen durch Autonome gekommen.

Statt dessen wurde für den Abend im Haus der Demokratie eine Diskussion angesetzt, die Heise mit dem Verlesen des Flugblattes eröffnete. Trotz einiger lautstarker Beschimpfungen kam ein Gespräch zustande, bei dem unter anderem eine wesentlich differenziertere Erklärung einer anderen autonomen Gruppe verlesen wurde, die sich nicht prinzipiell gegen die Vorführung des Films aussprach. Die Diskussion hatte immerhin zum Ergebnis, daß die Anwesenden sich zuerst das ansehen wollten, über was sie sich so heftig stritten. Im „Babylon“ wurde daraufhin kurzfristig das Programm geändert.

Der Film hebt sich zwar wohltuend von der üblichen Berichterstattung zum Thema ab, indem er die Neonazis zu Wort kommen läßt und ihre Hintergründe beleuchtet und nicht nur die Glatze mit dem penetrant versteiften Arm ins Bild rückt. Aber genau diese Stärke des Films bleibt auch seine größte Schwäche, denn indem er die Gewalttätigkeit ausblendet und die Wurzeln des Faschismus einzig in einer tragischen Sozialisierung des einzelnen findet, verharmlost er tatsächlich das Problem.

Extrem zwiespältig wird Heises Dokumentation, wenn vom Neonazis nur noch die dumme, bemitleidenswerte Glatze von nebenan übrigbleibt. Als der Skinhead Konrad akribisch erklärte, wie er die Marmorierung in den Marmorkuchen fabriziert, prustete ein Großteil des Publikums los.

Zwar wurden nicht nur an dieser Stelle die Skins zu Witznummern gemacht, aber trotzdem blieb die heftige Reaktion der Autonomen bestürzend.

Die Fronten lösten sich auch nach der Vorführung nicht auf. Die Mehrheit warf dem Regisseur vor, den Rechtsextremismus durch die dokumentierte Normalität dieser Jugendlichen zu verharmlosen. Offenbar waren es hauptsächlich Westberliner Autonome, die eine Hau-drauf-und-Schluß-Taktik gegenüber Neonazis vertraten. Die Ostberliner Intellektuellen hingegen lobten die kaum vorhandene ästhetische Qualität des Films.

Die Produktionsfirma des Films hat den „Rückzieher“ des Berliner Ensembles scharf kritisiert. „Der Verlauf der Veranstaltung und die Diskussion haben gezeigt, daß es unsinnig ist, es den Drohungen gewaltbereiter einzelner zu überlassen, welche Filme man zeigt...“, heißt es in einer Erklärung. Das Babylon wird den Film, der auf der diesjährigen Duisburger Filmwoche den Dokumentarfilmpreis erhielt, an folgenden Tagen zeigen: 7.12., 22 Uhr; 8.12., 20 Uhr; 9.12., 18/22 Uhr; 10.12., 20 Uhr. taz

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