: Neonazis prügeln sich um rechten Kurs
Zwei rechtsextremistische Gruppen in Berlin bekämpfen sich gegenseitig/ Gegner von DA-Chef Arnulf-Winfried Priem suchen die Öffentlichkeit/ Streit um Grabdiebstähle ■ Von Severin Weiland
Berlin. Der Landesvorsitzende der rechtsextremen „Deutschen Alternative“ (DA), Arnulf-Winfried Priem, hat viele Feinde. Nicht nur, daß in seinem Bezirk in Wedding des öfteren Flugblätter von linken Gruppen auftauchen, in denen vor dem martialisch wirkenden Neonazi-Rocker gewarnt wird. Der 44jährige, der sich vorzugsweise mit Totenkopf-Stirnband, Jeans-Kutte und eisernem Kreuz ablichten läßt, hat erbitterte Gegner im eigenen Lager. Streit gab es auch bislang schon. Neu daran ist allerdings, daß solche ideologischen Differenzen in Berlin seit längerem handgreiflich ausgetragen und anschließend an die Öffentlichkeit gebracht werden. So tauchten nach dem letzten Landesparteitag der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP), der am 14. November in Berlin stattfand, Flugblätter eines „Brandenburger Autonomnationalen Nachrichten Dienstes (BAND)“ auf, in denen eine Schlägerei zwischen FAP- und Priem-Anhängern detailliert geschildert wird. In deren Verlauf wurde schließlich sogar der Wagen von Priem von aufgebrachten FAP-Leuten beschädigt. Schauplatz war in der Nacht zum 3. Oktober der – inzwischen von Autonomen in Brand gesteckte – Jugendclub „Judith Auer“ in der gleichnamigen Straße, ein beliebter Treffpunkt der rechtsextremen Szene. Dem Flugblatt zufolge entzündete sich der Streit, nachdem der niedersächsische FAP-Vorsitzende Thorsten Heise dem Berliner DA-Führer vorgeworfen hatte, „Grabschändung“ betrieben zu haben. O-Ton des Flugblatts: „Auf diesen Friedhöfen suchte er (Priem, d. Red.) die alten Soldatengräber heraus, in deren Urnen sich militärische Orden befanden. Diese lagen in Steinurnen, welche auf den Grabsteinen standen. Mit einem Messer hob er den Deckel der Urne ab und entnahm den gewinnbringenden Inhalt.“
Gegenüber der taz bestätigte Priem, daß es zu einer Schlägerei zwischen ihm, Heise und FAP-Anhängern gekommen sei und sein Wagen dabei in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ansonsten jedoch könne er über den Vorwurf der Grabschändung „nur lachen“. Hinter den Flugblättern, von denen seine Organisation „mindestens schon 40 Stück“ erhalten haben will, vermutet er die Rache des ehemaligen Chefredakteurs der DA-Zeitung Brandenburger Beobachter, Frank Mencke. Dieser sei nach zwei Ausgaben gefeuert worden, weil er die Aufträge des DA-Bundesvorsitzenden Frank Hübner aus Cottbus nicht erfüllt habe. Bei dem Streit Anfang Oktober sei es nicht um ihn, sondern vielmehr um die Vergangenheit von Michael Kühnen gegangen – was wiederum im Flugblatt des BAND vorsorglich bestritten wurde. Tatsächlich spaltet der Streit um die einstige Führungsfigur Kühnen, der im April 1991 an Aids verstarb, die Neonazis seit Jahren. Hintergrund war Kühnens 1986 erschienene Schrift „Homosexualität und Nationalsozialismus“ – Priem hielt im Streit zum homosexuellen Kühnen. Als der Kühnen-Flügel schließlich 1989 in Bremen die DA gründete, führte Priem kurz darauf seine Rockertruppe „Wotans Volk“ der neuen Organisation zu – und leitet nun den „Landesverband Reichshauptstadt“ der DA. Daneben agiert Priem, der sich gegenüber der taz als „Verfechter der 6-Millionen-Lüge“ bezeichnete, weiterhin als Leiter des „Hauptschulungsamtes Wotans Volk“. In der Zentrale im Wedding wird aus Rassen- und Germanenkitsch (Priem: „Wir erneuern spirituell das Deutschtum“) eine eigene Nazi-Esoterik zusammengebraut. Priem, der einst von der Bundesrepublik als politischer Häftling der DDR freigekauft wurde, gehört in der rechtsextremen Szene zu den führenden Köpfen. Bereits in den siebziger Jahren gründete er in Freiburg seine eigene „Kampfgruppe Priem“. Nachdem 1977 in seiner Westberliner Wohnung SS- Uniformen, Orden und ein Maschinengewehr gefunden wurden, verurteilte ihn ein Gericht zu einer einjährigen Haftstrafe – auf Bewährung. Die jüngsten, öffentlich geführten Auseinandersetzungen der Neonazis haben selbst den Berliner Verfassungsschutz überrascht. Ein Mitarbeiter zur taz: „Solche ausgeprägten und zielgerichteten Aktionen nach außen sind bisher nicht üblich gewesen.“ Angesichts des Streits ist ein Brandanschlag auf Priems Wagen in Lichtenberg am 30.Oktober wahrscheinlich neu zu bewerten. Damals vermutete die Polizei, daß es sich hierbei um eine „politisch motivierte Tat von Linksextremisten“ handelte. Priem ist sich da nicht ganz so sicher: „Es können auch durchgeknallte FAPler gewesen sein.“
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