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■ Das PortraitHansgeorg Bräutigam

Der Mann hat einen Ruf zu verlieren. Ein strammer Konservativer mit autoritären Neigungen und einschlägiger Berufspraxis gegen links, Frontstadt-sozialisiert. Zur Terroristen- und Sympathisanten-Hatz der 70er Jahre hat er seinen juristischen Beitrag geleistet, mit linken Verteidigern weiß er umzugehen. Als Kolumnist in Springers Berliner Morgenpost hat der heute 55jährige dem Publikum seinerzeit eingebleut, was von Marxisten zu halten sei. Nein, ein Monokel trägt Hansgeorg Bräutigam nicht. Ansonsten aber scheint sich der Vorsitzende Richter der 27. Großen Strafkammer am Berliner Landgericht eher bruchlos in die unangenehm- deutsche Traditionslinie politisch unterfütterter Rechtsprechung einzufügen. Jetzt macht er dem ehemaligen Staatsratsvorsitzenden der DDR und einstigen Antifaschisten Erich Honecker den Prozeß.

Der Befangenheitsantrag, den die 51. Große Strafkammer vor einer Woche erwartungsgemäß zurückgewiesen hat, war programmiert. Dabei gab Bräutigams Vergangenheit nur den Anfangsverdacht, einer wie er sei zu einem unabhängigen Urteil über die Symbolfigur des anderen deutschen Staates wohl kaum in der Lage. Insbesondere die rüde-entschlossene Art, mit der Bräutigam eine Haftverschonung des todkranken Honecker ablehnte, haben die Zweifel an Bräutigams Eignung weiter genährt.

Foto-Nr. 3

Foto: Dietmar Gust/Zenit

Dabei lief es für Bräutigam schon bisher nicht schlecht, also relativ steil nach oben: erste „prägende Erfahrungen“ in einer Jugendstrafkammer, danach Pressereferent der Berliner Justizverwaltung, 1977 Ermittlungsrichter am Kammergericht, ein gutes Jahr später Vorsitzender Richter am Landgericht. Gegen die PDS-Millionenschieber Langnitschke, Pohl und Kaufmann verhängte er noch in diesem Jahr Bewährungsstrafen – mit einer prägnanten Begründung, die nicht unbedingt nach rigider Geradlinigkeit klingt: „Untreue aus Treue“.

Auch in den drei bisherigen Kurzterminen gegen Honecker hat der Richter die vorbehaltvollen Erwartungen noch nicht erfüllt. Angenehm unsouverän, nicht schneidig, ein bißchen fahrig und nervös gab er den Einstieg in die „außerordentliche Belastungsprobe“. Versucht da einer noch etwas zögerlich, seinen Ruf zu verspielen? Für Honecker, die Öffentlichkeit, am Ende wohl auch für Richter Bräutigam wär's nicht das schlechteste. Matthias Geis

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