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Innensenator macht Opfer zu Tätern

■ Nach den Auseinandersetzungen am Hamburger Flughafen: Senator Hackmann kritisiert fehlende Sensibilität der Demonstranten am Tag der Trauer für die Möllner Opfer / GAL-Fraktion fordert Sondersitzung...

am Tag der Trauer für die Möllner Opfer / GAL-Fraktion fordert Sondersitzung des Innenausschusses

Empörung hat der brutale Polizeieinsatz auf dem Hamburger Flughafen am Freitagabend ausgelöst. Vier Teilnehmer einer Trauerversammlung für die in Mölln getöteten Türkinnen waren von Uniformierten verletzt worden, sogar der Vater des getöteten Mädchens hatte Schläge abbekommen. Doch Innensenator Werner Hackmann nahm gestern die Polizei in Schutz — er ging sogar so weit, den Opfern dieser Polizeiübergriffe die Schuld zuzuschieben.

Augenzeugen des Einsatzes hatten am Wochenende schwere Vorwürfe gegen das massive Polizeiaufgebot erhoben. Die Beamten „haben wahllos auf uns eingeschlagen“, so VertreterInnen des Volkshaus der Türkei am Wochenende vor der Presse. Sie forderten den Rücktritt des Innensenators. Der erklärte jedoch gestern gegenüber der „NDR- Hamburg-Welle“, er sei sicher, daß der Hamburger Polizei keine Vorwürfe zu machen seien. Er bedauere, daß am Tag der Trauer nicht mehr Sensibilität vorhanden gewesen sei, „bei denjenigen, die dort protestiert haben“. Nach seiner Kenntnis sei die Polizei von der Menge bedrängt und getreten und geschlagen worden. Die Täter seien identifiziert und festgenommen worden.

Diese Version bestreitet Mülayim Huseyin. Er wurde am Freitag verhaftet, nach der Feststellung seiner Personalien noch am Abend wieder freigelassen. Für ihn stellte sich das Geschehen anders dar: „Ich stand in einer Menschenkette Brust an Brust mit der Polizei. Meine Arme waren eingeklemmt, und ich hatte auch gar keine Möglichkeit, jemanden zu treten oder gar in die Menge zu zerren, wie die Polizei behauptet.“

Polizeisprecher Peter König erklärte der taz die Gründe für den Polizeieinsatz folgendermaßen: Die zwei Hundertschaften, darunter rund hundert Bundesgrenzschützer, wären nicht etwa eingesetzt worden, um die Teilnehmer der Kundgebung vor rechten Gewalttätern zu schützen. Mit deren Erscheinen habe an diesem Tag niemand gerechnet, so König. Es habe aber Gerüchte gegeben, daß der Abtransport der Särge verhindert werden solle. Unverständlich nur, daß die Polizei die Charterhalle absperrte. Denn die Särge befanden sich nicht an diesem Ort, sondern im sogenannten Geschäftsfliegerzentrum. „Die Eskalationen entzündeten sich an der Sperrung der Charterhalle durch die Polizeikräfte“, bestätigte König. Nur zwei Schlagstockeinsätze habe es gegeben, einen an der Absperrung vor der Halle, einen weiteren bei einer Festnahme. Aber:„Ich kann nicht ausschließen, daß Herr Arslan (Vater der Toten) geschlagen worden ist.“ Die Polizeidirektion Ost, die den Einsatz leitete, werde das klären.

Die GAL-Fraktion forderte gestern aufgrund der Vorfälle eine Sondersitzung des Innenausschusses. Die Abgeordnete Anna Bruns: „Es ist unerträglich, daß die Trauerfeier in Hamburg unter offensichtlich wahllos eingesetzten Polizeiknüppeln endete.“ Eine restlose Aufklärung der Vorwürfe gegen die Polizei müsse sofort erfolgen. „Ich befürchte, dieser Einsatz erfolgte auf Grund nicht hinterfragter Angaben des türkischen Konsulats“, so Bruns. Wenn sich die Zeugenaussagen der Demonstranten betätigen, so die GAL, seien disziplinarische Maßnahmen gegen die Verantwortlichen und „personelle Konsequenzen an höchster Stelle“ erforderlich. Vera Stadie

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