piwik no script img

Knesset bestürzt über Rechtsradikalismus

■ Heftige Vorwürfe gegen Deutschland im israelischen Parlament/ Außenminister Peres fordert schärfere Gesetze/ Parlamentsdelegation sagt Deutschlandreise ab

Jerusalem (dpa) – Auf einer Sondersitzung der israelischen Knesset haben Politiker aller Parteien gestern ihre Bestürzung über den wachsenden Rechtsradikalismus in Deutschland zum Ausdruck gebracht. Außenminister Schimon Peres forderte die Bundesregierung erneut auf, die bestehenden Gesetze in aller Schärfe gegen Neonazis anzuwenden und gegebenenfalls neue zu erlassen. Eine Delegation des Parlaments sagte einen für diese Woche geplanten Deutschland-Besuch ab.

Peres verlangte in der mehrstündigen Knesset-Sitzung, daß in Deutschland alle Organisationen verboten werden, die gegen die Grundrechte verstoßen. Die Regierung des jüdischen Staates werde Angriffe auf Juden nicht hinnehmen, wo immer sie auch geschähen. Er würdigte aber auch die demokratischen Kräfte in Deutschland und rief sie auf, ihre Anstrengungen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus zu verstärken.

Auch Knesset-Sprecher Schevach Weiß, ein Überlebender der nationalsozialistischen Judenvernichtung, wandte sich gegen Verallgemeinerungen im Urteil über Deutschland. Erziehungsministerin Schulamit Aloni von der linksorientieren Partei „Merez“ warf der Bundesregierung in der vom Fernsehen übertragenen Debatte vor, ihre Macht nicht ausreichend genutzt zu haben, um gegen das „nazistische Krebsgeschwür“ vorzugehen. Der Abgeordnete Dov Schilanski von der rechtsgerichteten Likud-Fraktion stellte fest, es gebe kein „anderes“ Deutschland. „Dies ist das gleiche Deutschland, das Deutschland der Mörder von Auschwitz, Treblinka, Dachau und Sobibor“, sagte Schilanski, der von den Nazis in ein Konzentrationslager gesperrt worden war.

Avraham Burg von der Arbeiterpartei erklärte, es stehe fest, daß es in Deutschland eine antisemitische Tradition gebe und daß in Deutschland versucht worden sei, die Juden zu vernichten. Gerade weil damals andere Staaten geschwiegen hätten, müsse Israel jetzt für die Rechte von Ausländern in aller Welt eintreten. Burg sprach sich gegen einen Boykott Deutschlands aus. Wenn dieser moralisch gerechtfertigt sei, wäre er politisch falsch, da er den Rechtsextremisten in die Hände spiele.

Gestern meldete sich auch der israelische Botschafter in Bonn, Benjamin Navon, erneut zu Wort. Im ARD-Morgenmagazin erklärte er, daß die rassistischen Übergriffe in Deutschland einen Rückschlag für die Aussöhnung der beiden Völker bedeuteten. Im Saarländischen Rundfunk berichtete er, daß immer mehr Juden Deutschland in Richtung Israel verlassen würden. Sie fühlten sich hier gefährdet.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen