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Wenn es brennt, hat der Gregor Zeit

■ Gysi-Rücktritt: In der Berliner PDS gibt man sich gelassen

Berlin. Als „verhalten-optimistisch“ hat die amtierende Landesvorsitzende der PDS, Petra Pau, die Stimmung in der Partei nach der Rücktrittsankündigung des Parteivorsitzenden Gregor Gysi bezeichnet. Den Rücktritt sehe sie als eine Möglichkeit, die Verantwortung auf „breitere Schultern zu legen“ und auch „Genossinnen und Genossen aus der zweiten Reihe“ die Chance zu geben, sich zu profilieren, erklärte sie der taz.

Auch der frühere Vorsitzende der Berliner PDS, André Brie, der wegen jahrelanger Tätigkeit als Stasi-IM vor kurzem vom Parteivorsitz zurückgetreten war, hält den Rückzug für verkraftbar: „Begeisterung ist nicht da, aber in der Partei gibt es eine beträchtliche Stabilität.“ Für die Wähler sei Gysi nach wie vor von zentraler Bedeutung und werde deshalb im Wahlkampf vor der Bundestagswahl 1994 eine wichtige Rolle spielen. Im Moment sei die PDS noch sehr auf Gysi fixiert, weil die Profilierung als „sozialistische Oppositionspartei“ vor allem in Westdeutschland noch ausstehe.

Auch die Stadträte in den Bezirksämtern befürchteten keine Wählereinbußen nach dem Rücktritt. „In meinem Umkreis gab es bisher keine negativen Reaktionen“, erklärte die Marzahner PDS- Stadträtin für Jugend, Familie und Kultur, Margret Barth. Im Gegenteil, sie hoffe, daß Gysi dann mehr Zeit habe für den Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf, für den er ein Direktmandat im Bundestag hat. Aber schon jetzt sei die Erfahrung: „Wenn es brennt, hat der Gregor auch Zeit.“ Der PDS-Stadtrat für Jugend und Familie in Prenzlauer Berg, Tanju Tügel, meinte, „ein Wechsel im Parteivorsitz führt nicht zur Katastrophe“.

Der Rücktrittsbeschluß von Gysi sei „ehrenvoll, aber nicht logisch“, erklärte demgegenüber einer der Sprecher des Kreuzberger PDS-Büros, Dirk Schneider. Besser wäre es gewesen, wenn Gysi in seiner Funktion als Parteivorsitzender mehr Aufgaben delegiert hätte, anstatt eine so dominante Rolle einzunehmen. akk

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