: Schmidt bricht eine Lanze für Stolpe
■ Der frühere Bundeskanzler nimmt seinen Gesprächspartner vor dem Potsdamer Untersuchungsausschuß in Schutz: Die Vorwürfe gegen ihn seien „absurd“
Potsdam (taz) – Eine Lanze für Ministerpräsident Stolpe brach gestern Altbundeskanzler Helmut Schmidt. Der 73jährige, der auf Nachfrage seinen Beruf nach kurzem Zögern mit Publizist angab, warf sich vor dem Potsdamer Untersuchungsausschuß in Potsdam schwer ins Zeug, um seinen Freund Stolpe zu entlasten. „Absurd“ nannte er es, Stolpe heute vorzuwerfen, vertrauliche Gesprächsinhalte an die staatlichen Organe der DDR ausgeplaudert zu haben. Im Gegenteil, er sei immer davon ausgegangen, daß seine Gäste die entsprechenden Stellen „zu Hause“ über ihre Gespräche informierten.
Im Zusammenhang mit einem Treffen am 17. Juli 1981 mit dem Bischof Albrecht Schönherr im Bonner Kanzleramt, an dem auch der damalige Oberkonsistorialrat Stolpe teilnahm, hätte er sogar ausdrücklich darum gebeten, zwei Informationen „nach möglichst hoch oben“ in der DDR weiterzuleiten. Die Botschaft, die überbracht werden sollte: Er, der Kanzler, wolle ein Treffen mit Erich Honecker, er habe außerdem ein „großes Interesse“, über humanitäre Fragen zu reden. Die dem Ausschuß vorliegenden Stasi-Akten sprechen freilich eine andere Sprache. Danach informierte Stolpe die Staatssicherheit über die Haltung der Bundesregierung zum eskalierenden Streit zwischen oppositionellen Gruppen und Staatsführung in Polen. Stolpe überbrachte der Aktenlage zufolge die Sorge Bonns, „was passiert, wenn marschiert werden muß“. Bonn habe Verständnis, „wenn sich die Sowjetunion engagiert, denn sie muß als Führungsmacht ihren Laden rein halten“. Wenn sich die DDR allerdings einmische, „dann gäbe es absolutes Unverständnis“. Vor dem Ausschuß erklärte Schmidt jetzt allerdings, was er nicht weitergegeben haben wollte, darüber habe er gar nicht erst gesprochen.
Sein Lob für Stolpe ist ungebrochen. „Es geschah mit Wissen und Willen Stolpes“, daß er wiederholt in der DDR zu Besuch gewesen sei. Im Interesse seiner Entspannungspolitik habe er auf den jeweiligen Ständigen Vertreter Bonns in Ostberlin, auf den Ostberliner Anwalt Wolfgang Vogel – und eben auf Manfred Stolpe zurückgegriffen. Nach dem Ausscheiden aus dem Amt des Kanzlers sei Stolpe zu seiner „wichtigsten Quelle“ über die Ereignisse in der DDR avanciert. Eingangs seines Statements ging der Ex-Kanzler mit den Medien hart ins Gericht: Er sehe vielfältige Kampagnen gegen den Ministerpräsidenten.
Stolpes Kontakte zum Machtapparat seien notwendig gewesen: „Auch ich hätte mit dem Teufel geredet, wenn es zweckmäßig gewesen wäre.“ Das Vertrauen in Stolpe „besteht auch heute ungemindert“. Wolfgang Gast
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen