: Stasi-Offizier: Ich bin gegen Gewalt
■ Der ehemalige Leiter der Kirchenabteilung der Stasi, Joachim Wiegand, will vor Gericht keine IM enttarnen
Berlin. Der Stasi-Offizier Joachim Wiegand, Hauptzeuge im Berufungsverfahren am Landesarbeitsgericht um die vorzeitige Entlassung des Humboldt-Rektors Heinrich Fink, will weitere „Inoffizielle Mitarbeiter“ (IM), die bis 1989 die Sektion Theologie observiert haben, nicht namentlich nennen. Wiegand, der seit 1977 die Kirchenabteilung XX/4 des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) leitete, berief sich bei einer Anhörung des Landesarbeitsgerichts am Mittwoch auf das Zeugnisverweigerungsrecht. Die sechs Inoffiziellen Mitarbeiter, die den „unwissentlich registrierten“ IM „Heiner“ abgeschöpft hätten, werde er unter keinen Umständen nennen. Inoffizielle Mitarbeiter, so Wiegand, würden „wie Ausländer“ ausgegrenzt und vorverurteilt. Weil er gegen Gewalt sei, könne er die Namen der IM keinesfalls nennen. Grundsätzlich bleibe er bei seiner Darstellung, daß Professor Fink ohne seine Zustimmung als „irregulärer“ IM registriert und „nach allen Regeln der Kunst“ von sechs weiteren IM seiner Abteilung abgeschöpft worden sei. Die Praxis des MfS, IM nur zu registrieren, sie aber nicht aktiv in die Spitzeltätigkeit einzubeziehen, rechtfertigte Wiegand mit einer Rede Mielkes. Der habe in einer „Zentralen Dienstkonferenz“ 1984 verlangt, bei der Bespitzelung der Kirche Methoden anzuwenden, bei denen das MfS als Geheimdienst nicht erkennbar sei. Damit sei die „Abschöpfung“ von „irregulären IM“ durch Mielke persönlich abgesegnet gewesen.
Warum die Bezeichnung IM „Heiner“ in den Stasi-Akten über den Evangelischen Kirchentag in Berlin-Brandenburg 1987 auftaucht, konnte Wiegand nicht schlüssig erklären. Die Bezeichnung IM „Heiner“ sei wahrscheinlich mehrmals vergeben worden. Er könne aber auch nicht definitiv sagen, ob von einer anderen Bezirksverwaltung ebenfalls ein IM „Heiner“ geführt worden sei. „Das ist alles viel komplizierter, als ich es hier darstellen kann“, wich Wiegand den Fragen des Richters aus. Ungeklärt blieb ferner, in welchem Zusammenhang ein Geldgeschenk an Fink steht, das noch im November 1989 für den ehemaligen Rektor der Humboldt-Uni verbucht wurde. Er könne sich an die Übergabe des Geschenks nicht erinnern, sich aber vorstellen, daß seine Behörde „Verständnis“ für Fink signalisieren wollte, der damals „Ärger mit den staatlichen Organen“ gehabt habe. Joachim Wiegands Aussagen klärten ebenfalls nicht, ob Fink 1984 wirklich die Verdienstmedaille in Gold der NVA bekommen hat. Über den konkreten Ablauf der Verleihungen sei er nie informiert worden. Weil Fink nicht regulär als Inoffizieller Mitarbeiter geführt worden sei, argumentierte der Stasi-Offizier, sei er als Leiter der Hauptabteilung nicht anwesend gewesen. Wenn andere „kirchenleitende Persönlichkeiten“ ausgezeichnet worden seien, habe er diese Gelegenheit gern genutzt, um die Kontakte in die Kirche auszubauen.
Der Prozeß wird am 14. Dezember fortgesetzt. sol
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