: Die Herrin und das Dienstmädchen
Die Frau schaut in den Spiegel: was sie sieht —
ist nicht zu sehn;
schwerlich ist dort irgendwas. Übrigens, wozu dann
das eine bewundern und sich Gedanken machen,
wie das andere reparieren
durch diesen oder jenen Kniff? Wozu sich erforschen?
Offenbar ist dort etwas. Etwas verlangt nach zarter Salbe,
nach Halsketten, nach Spangen. Still steht das Dienstmädchen
in Erwartung der Bitte, die sie nicht erfüllen kann.
Ja, wir haben einander niemals verstanden.
Das ist verständlich.
Das war nicht schwer.
Schwerer war anderes: wir wußten
alles voneinander. Alles, restlos, bis zu unserer letzten
zartesten Unendlichkeit.
Nicht wünschend, nicht denkend — wußten wir.
Nicht hörend, wußten wir
und berieten im Kopf seine Bitte, mit der er nicht dazu kam,
sich an uns zu wenden oder gar daran zu denken. Wie auch.
Die Bitte ist ein und dieselbe bei uns allen;
da ist nichts außer dieser
Bitte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen