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Rechtsextremisten arbeiten weiter an Vernetzung

■ Hessischer Verfassungsschutz besorgt über Vereinigungstendenzen

Frankfurt/Main (taz) – „Es gibt ein strategisches Ziel der Führer der noch untereinander konkurrierenden neonazistischen Gruppierungen: die Vernetzung.“ Der Direktor des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, blickte gestern auf einer Pressekonferenz von Innenminister Herbert Günther (SPD) zum Thema „Rechtsextremismus in Hessen“ besorgt in die nahe Zukunft. Es sei nicht auszuschließen, so Fromm, daß sich nach einem erfolgreichen Abschluß dieser Vereinigungsversuche eine rechtsterroristische Szene entwickele – ähnlich wie in Italien in den 70er Jahren. Als „neue Führerfigur“ in der NS-Szene der Bundesrepublik bezeichnete Fromm den Hamburger Neonazi Christian Worsch.

Als „im höchsten Maße gefährlich“ bezeichneten Fromm und Günther die latenten Versuche der harten Szene, gezielt Jugendliche aus gesellschaftlichen Randbereichen für ihre sogenannten Bewegungen zu gewinnen.

Insgesamt, so Innenminister Günther, biete die rechtsextremistische Szene in Hessen ein „vielgestaltiges Bild“. Die Bandbreite erstecke sich von der straff zentralistisch geführten „Deutschen Volksunion“ (DVU) mit in Hessen rund 2.500 Mitgliedern bis hin zu kleinsten, aber durchweg sehr aktiven neonazistischen Gruppierungen und militanten, oft unstrukturierten, subkulturellen Jugend- und Skinheadszenen. Die Mitgliederzahlen der NPD seien dagegen rückläufig (in Hessen 450). Längst hätten DVU und „Republikaner“ die rechte Altpartei überflügelt. Alle drei Parteien – DVU, NPD und Reps – distanzierten sich offiziell von den fremdenfeindlichen Gewalttaten. In Wirklichkeit, so Günther, werde diesen Anschlägen aber durchaus Sympathie, mindestens aber Verständnis entgegengebracht.

Günthers Bilanz: „Im Unterschied zu rechten Parteien und den bekannten Organisationen, über deren Zustand und Aktivitäten unter Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel ausreichende Informationen gewonnen werden konnten, gibt es keinen vollständigen Überblick über die gewaltbereite rechte Jugendszene.“ Fest stehe aber, daß es zunehmend Beziehungen der rechten Jugendszene zu rechtsextremistischen oder neonazistischen Gruppen gebe. Die organisierten Neonazis befleißigten sich, den „jungen Leuten eine politische Heimat zu geben“. Der Verfassungsschutz, so Fromm, sei zur Zeit durch „relativ personalaufwendige Maßnahmen“ bemüht, die in Betracht kommenden Gruppen und Einzelpersonen möglichst vollständig zu erfassen. Dennoch lautet die Prognose des Verfassungsschutzes: „Es ist auch in Hessen weiterhin mit Anschlägen auf Ausländer, deren Unterkünfte, auf jüdische Friedhöfe und mit Gewalt gegen den politischen Gegner zu rechnen.“ In Hessen wurden 1992 (bis Oktober) 304 Übergriffe gegen AusländerInnen und deren Unterkünfte gezählt. Damit liegt das Bundesland in der Horrorstatistik der Bundesrepublik auf dem zehnten Platz.

Günther forderte ein breites gesellschaftliches Bündnis gegen Rechts: „Vom Sportverein über die Wohlfahrtsorganisationen bis hin zu den Wirtschaftsverbänden sind alle aufgerufen, den Rechtsextremismus durch deutliche Bekenntnisse zu Toleranz und innerem Frieden einen Riegel vorzuschieben.“ Klaus-Peter Klingelschmitt

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