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Die Zombies vom Planet Busuban Von Michaela Schießl

Eine unheimliche Ahnung wird zur grausigen Gewißheit: zahllose Angestellte der Berliner Verkehrs-Gesellschaft (BVG) sind keine Menschen. Geahnt haben wir das schon lange, zu unmenschlich ist das Benehmen so vieler Busfahrer, U-Bahn-Schaffner, Stationswärter. Am Dienstag schließlich antwortete ein Exemplar auf die Frage, wie er denn heiße: „81714. 81714.“ Ich könnte schwören, daß ihm dabei kleine Antennen aus den Nasenlöchern lugten, die Verbindung zum Planet Busuban vielleicht. Dann schneuzte sich der alte Zombie wie ein Mensch und sprach: „Beschweren Sie sich ruhig. Und haun se bloß ab.“

Abhauen also. Und beschweren. Richtig Putz machen in der Zombie-Zentrale. Toben, weil der Automat meine Scheine nicht genommen hat für die Monatskarte. Ich deshalb eine Einzelkarte kaufen mußte vom Zombie. Fragen wollte, ob er sie anrechnet, immerhin sei ich ja nicht schuld, daß der Automat ... „Ich auch nicht“, sagte der Zombie. „Stimmt, aber Sie gehören zur BVG ...“ „Is nich mein Bier, wenn se aufn letzten Drücker kommen“, schnarrte das Geschöpf. „Aber es ist der 1. Dezember, 10 Uhr morgens ...“ „Setzen Sie die Karte doch von der Steuer ab. Ick wees von nüschte!“ „Hören Sie, die Bahn ist ein Dienstleistungsunternehmen und ich eine Kundin.“ Es blieb ungerührt. „Sie brauchen ja nicht mitzufahren“, sagte es und zog sich zurück. Wohl, um Lob vom fernen Busuban zu empfangen. Ein Planet, der von der Autoindustrie gesponsert wird, um Menschen das Bus- und Bahnfahren abzugewöhnen. Ein paar Beispiele: Die hochschwangere Edith wurde von einem Busfahrer aus dem Bus gewiesen, weil er auf ihr Silbergeld nicht herausgeben konnte. Sie weigerte sich auszusteigen. Der Fahrer weigerte sich weiterzufahren. Ergebnis: Die BVG-Zentrale schickte einen Ersatzbus für die Kunden – und zwei Polizisten, die den Fahrer beruhigten. Der im übrigen im Unrecht war, denn bis 10 Mark muß er herausgeben.

Letzte Woche stoppte ein Fahrer den 129er Bus und schrie eine Mutter an, ihren brüllenden Säugling sofort zum Schweigen zu bringen oder auszusteigen.

Ein gebrechliches Mütterchen fragte, ob sie „hier bitte einsteigen könne?“ „Na, globen Sie, ick steh hier zum Lüften?“ Der U-Bahnhof-Kochstraßen-Zombie quittierte die Bitte einer Frau, das verbotene Rauchen auf den Bahnsteigen zu unterbinden, kurz mit: „Ick rooche selbst.“ Ungezählt die Fälle, wo sich Bustüren kurz vor den dahersprintenden Menschen schließen, begleitet vom feisten Grinsen der Fahrer. Zombies verstehen ihren Job.

Ihr genialster Coup jedoch ist es, einen richtigen Menschen in die Beschwerdeabteilung zu setzen. Herr Ringel, der meint: „Man muß es menschlich sehen. Das sind Kollegen, die haben 30 Jahre Fahrdienst auf dem Buckel. Die sind fertig, verbraucht, die darf man eigentlich gar nicht mehr auf Menschen loslassen.“ Aber Ringel kennt Mitleid: „Die haben was geleistet. Sie sollen in Würde und Anstand in den Ruhestand gehen dürfen. Sicher, der Fahrgast soll das nicht ausbaden müssen. Aber bitte, versuchen Sie zu verstehen.“ Verstehen? Zombies von Busuban verstehen? Es von der Kochstraße? Ach, Ringel.

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