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Der Ausstieg in Wackersdorf war nichts dagegen

■ Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder hat seit Jahren daran gearbeitet, die Strombosse für den Ausstieg zu gewinnen/ Einigung mit VEBA-Chef

Als „Einstieg in den Ausstieg aus der Atomenergie“ und sehr viel weitreichender als den Verzicht auf die WAA Wackersdorf, hat Gerhard Schröder gestern den Energiekonsens-Brief der Vorstandsvorsitzenden von RWE und VEBA an den Bundeskanzler begrüßt. Was die Vorstandsvorsitzenden Friedhelm Gieske und Klaus Piltz dem Bundeskanzler als Vorschlag für einen Energiekonsens von CDU bis Grün unterbreitet haben, halten auch viele Atomkraftgegner für einen großen Schritt nach vorn. Doch gelobt hat der niedersächsische Ministerpräsident damit nicht zuletzt sich selbst. Mit seinem Motto: „Es reicht nicht für den Ausstieg zu sein, man muß auch etwas dafür tun“, hatte Gerhard Schröder schon kurz nach seinem Amtsantritt in Niedersachsen das Gespräch mit dem VEBA-Vorstandsvorsitzenden Klaus Piltz gesucht. Erstes Ergebnis dieses Kontaktes war schon vor zwei Jahren die Gründung der „Niedersächsischen Energieagentur“, die sich zu gleichen Teilen im Besitz des rot-grün- regierten Bundeslandes und des Energieversorgungsunternehmens befindet. Dort engagierte sich erstmals ein deutsches EVU beim Stromsparen und sogar bei Konzepten der dezentralen Energieerzeugung.

Schon bei der Vorstellung der neuen Energieagentur saß der Chef des größten deutschen Atomstromers, der VEBA-Tochter PreussenElektra, Hermann Krämer, nur mit äußerst mürrischem Gesicht dabei. Piltz hatte sich durchgesetzt, Chef der Agentur wurde Stefan Kohler, Energieexperte beim Öko-Institut.

Direkt mit Klaus Piltz und wieder am Atomfreund Krämer vorbei hat Gerhard Schröder dann später auch vereinbart, daß in Stade ein neues Gaskraftwerk gebaut wird, das den dortigen Schrottreaktor ersetzen soll, wenn denn der „Einstieg in den Ausstieg“ auch realisiert wird. Daß nun auch die Initiative für jenen neuen „Kernenergiekonsens“ von ihm selbst ausgegangen ist, verschwieg der Ministerpräsident gestern keineswegs. Rund ein halbes Dutzend Gespräche auf Spitzenebene hat es deswegen zwischen Schröder, Piltz und auch Gieske gegeben und natürlich dazu zahlreiche Verhandlungsrunden von BeamtInnen aus der Staatskanzlei mit EVU-Vertretern. Beteiligt wurde an den Gesprächen nach einiger Zeit auch der IG-Chemie- Vorsitzende Hermann Rappe, der schließlich das Ergebnis dann auch dem Kanzler zugänglich machte, als er bei ihm mal einen Termin hatte. In die Konsenssuche hinter den Kulissen waren schließlich auch die SPD- oder rot-grün-regierten Bundesländer Hessen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sowie „Vertreter weiterer Energieversorger“ mit einbezogen. Die übrigen SPD- Länder waren zumindest informiert.

Zumindest zu einer praktischen Konsequenz hat die weitgehende Einigung, bei der allerdings noch ein „X“ im Text durch eine folgenreiche Zahl für die AKW-Lebensdauer zu ersetzen ist, schon geführt: Am 2.Oktober beim „Energiegipfel“ beim Kanzler holte sich die Energiewirtschaft nicht nur Kohls Placet dafür, jetzt selbst „Gespräche mit Vertretern der Parteien“ über „einen überparteilichen Energiekonsens“ zu führen. Auf diesem Gipfel wurde auch der für die Atomenergie zuständige Bundesminister erst einmal abgemeldet: Klaus Töpfers Atomgesetznovelle liegt seither auf Eis. Die darin angekündigte Privatisierung der Atommüllendlagerung hatten die EVU ohnhin als Fahnenflucht des Bundes empfunden.

Daß der Bundesumweltminister ausgerechnet jetzt aus dem AKW Gundremmingen, in dem noch genügend Platz für abgebrannte Brennelemente ist, den ersten Castor-Behälter mit hochradioaktiven Müll nach Gorleben schicken will, muß man denn auch als gezielte Intervention gegen diese Konsenssuche verstehen. Mit der Einlagerung von hochradioaktivem Müll im Gorlebener Zwischenlager wären für die niedersächsischen Grünen die Konsensbemühungen gescheitert. Ansonsten lobte der grüne Landtagsabgeordnte Hannes Kempmann schon vorgestern „die höchst interessanten Vorschläge“ der beiden EVU und wollte in einem denn realisierten Einstieg in den Ausstieg „einen großen Erfolg grüner Politik sehen“. Das AKW Gundremmingen ist zu drei Viertel im RWE-Besitz, und Gerhard Schröder hat deswegen am 3.Dezember RWE-Chef Gieske in einem Schreiben darauf hingewiesen, daß ein Castor-Transport nach Gorleben nur „denjenigen zugute käme“, die die „vorhandene Polarisierung in der Kernenergiediskussion vertiefen“ wollen. Schon an der Entscheidung über diesen Transport wird man nun ablesen können, wie ernst es die EVU mit dem Konsens meinen.

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