: Seemanns Christkind ist die See...
■ "Deutsche Welle" sendet Bremer Seeleuten "Weihnachtsgrüße aus dem Heimathafen"
Seemanns Christkind ist die See...
„Deutsche Welle" sendet Bremer Seeleuten „Weihnachtsgrüße aus dem Heimathafen“
„Lieber Erwin, jetzt ist es ja das fünfte Jahr in Folge, daß du Weihnachten nicht zuhause bist...“ Kapitänsfrau Frigga, deren Mann noch bis zum April im Schwarzen Meer unterwegs sein wird, kann einen gewissen vorwurfsvollen Ton nicht unterdrücken, als sie für die Vorproduktion der Sendung „Weihnachtsgrüße aus dem Heimathafen“ ans Mikrofon gerufen wird. „Erst im April sehen wir uns wieder...“
Frau Frigga ist eine von ungefähr 150 BremerInnen, die letzten Donnerstag der Einladung der „Deutschen Welle“ ins Gästehaus der Becksbrauerei gefolgt sind, um bei Bier und Kaffee, bei Kerzenlicht und Shantychormusik ihre angehörigen Fahrensleute zu grüßen, die Weihnachten auf den Weltmeeren verbringen müssen (oder gar wollen? Man weiß ja nicht recht bei diesen Seemännern, deren Braut bekanntlich die See ist — ).
Seit 30 Jahren schon gibt es die „Weihnachtsgrüße aus dem Weihnachtshafen“ auf der „Deutschen Welle“, dem Sender für Deutsche im Ausland. Seit 30 Jahren wird sie moderiert von Herbert Fricke (sonst NDR-Mittagskurier), in Bremen, Hamburg und jetzt auch Rostock. Fricke ist inzwischen so souverän, daß er in den Musikpausen locker seinen Cognac schlürfen kann, während der Brinkumer Shantychor „Ja, wenn das Schifferklavier an Bord erklingt“ singt oder Becks hauseigene „Schalander-Band“ zu rührseligen Weihnachtsliedern aufspielt und die Gäste leise mitsingen.
Die Angehörigen, meistens ältere Leute, füllen noch die vorgedruckten Grußzettel aus — Vor- und Nachnahme des zu Grüßenden sowie sein Dienstgrad, Name von Schiff und Reederei (“Wie schreibt man Hapag Loyd?“) und der Standort des Schiffes zur Weihnachtszeit sind gefragt — und Herbert Fricke interviewt solange noch altgediente Reeder und Kapitäne zur Lage der deutschen Seefahrt.
So notwendig für die Beziehungen zwischen Seeleuten und den Daheimgebliebenen wie noch vor zehn Jahren ist die zeitversetzte Seemannsgrüße-Sendung nicht mehr; inzwischen gibt es ja das Satellitentelefon, und die Weihnachtsgrüße könnten live an Weihnachten nach Malaga oder Hongkong vertelefoniert werden. Trotzdem: wenn die alten Eltern oder die Frau eines Seemannes ins Mikrofon sprechen, drei Wochen bevor ihre Stimme den Geliebten erreicht, dann wird hier und jetzt die ganze Melancholie der Seemannsbeziehungen deutlich.
„Gitti konnte nicht mitkommen“, sagt eine alte Frau, und je länger sie spricht, desto mehr zittert ihre Stimme: „Hoffentlich hat der Wind deine Wehwechen weggeweht, lieber Bruder.“ — „Mein lieber Mann Karl-Heinz, alles Gute und vielen Dank für das abbezahlte Haus...“ — „Ich bin stellvertretend hier für deine Frau, lieber Winfried. Du bist heute abend ja mit ihr zusammen, aber Weihnachten bist du wieder alleine.“
Grußzettel für Grußzettel werden die Angehörigen nach vorne gerufen. Manchmal geht es auch lustig zu: wenn der Shantychor einen befreundeten Schiffskoch grüßt (“Karl, halte weiter mit deinem Essen die Mannschaft am Leben ! „); oder eine Abordnung aus Leer verlangt, daß nächstes Jahr auch aus ihrer Stadt gesendet wird. Und zum Trost für die Weihnachtsfahrer verlost Becks zehn Kisten Bier an das Schiff, das Weihnachten am weitesten von Bremen entfernt ist... Cornelia Kurth
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