piwik no script img

Kinder zum Hitlergruß genötigt

■ In Zehlendorf wurden vier Schüler von rechten Jugendlichen überfallen/ Zehnjähriger vor Auto gestoßen

Berlin. Die Eltern der Grundschule am Buschgraben in Zehlendorf erhielten am Samstag ungewöhnliche Post. Neben den Wünschen für ein „friedliches Vorweihnachtsfest“ forderte sie der Schulleiter auf, in Zukunft „Vorsicht“ und „Umsicht“ walten zu lassen. Kinder der Schule seien von neonazistischen Jugendlichen in „starke Bedrängnis“ gebracht worden. Zitat: „Zum Beispiel (durch) Aufforderung zum Hitlergruß bei gleichzeitiger Androhung im Verweigerungsfall.“ Hinter dem höflich-beschwichtigenden Beamtendeutsch des Schulleiters verbirgt sich ein Überfall von zwei offenbar rechtsextrem eingestellten Jugendlichen auf eine Gruppe von vier Kindern.

Der Vorfall ereignete sich bereits am 21. November am südöstlichen Rand von Zehlendorf und wurde erst jetzt von den Eltern an die Öffentlichkeit gebracht. Die Opfer: zwei Sieben- und zwei Zehnjährige, die an jenem Nachmittag auf dem ehemaligen Grenzstreifen zwischen Klein-Machnow und Zehlendorf unweit der Grundschule spielten. Wie der zehnjährige George Z. gegenüber der taz schilderte, hätten sich ihnen gegen halb vier Uhr nachmittags zwei Jugendliche mit Bomberjacken und schweren Stiefeln genähert (alle Namen wurden von der Redaktion geändert). Die beiden Jugendlichen, wahrscheinlich 16 bis 18 Jahre alt, forderten sie auf, den Arm zum Hitlergruß zu heben. Andernfalls drohe ihnen Prügel. Da die beiden siebenjährigen Jungen sich unter dem Hitlergruß nichts vorstellen konnten, wurde ihnen befohlen, den „Arm so hoch zu heben, wie das Gras wächst“. Außerdem sollten sie mit ihren Füßen Hakenkreuze auf dem Sand zeichnen. Während die beiden Siebenjährigen den Anweisungen folgten, weigerten sich George Z. und sein Freund Thomas K. (ebenfalls 10 Jahre alt). Daraufhin schlugen die rechten Jugendlichen zu. George: „Den beiden Kleinen haben sie nichts getan, aber wir wurden mit Fäusten und Füßen angegriffen.“

Als die vier Schüler schließlich verängstigt den Platz verließen, folgten ihnen die rechten Jugendlichen. An der Kreuzung Neuruppiner/Ludwigsfelder Straße schubsten sie schließlich George Z. auf die Fahrbahn – ein herankommender Mercedes konnte in letzter Minute noch bremsen. Die Angreifer verschwanden anschließend in Richtung Klein-Machnow. Georges Mutter Bärbel Z. (40) zur taz: „Mein Sohn kam weinend nach Hause, hatte überall blaue Flecken auf den Oberschenkeln.“ Sie hat seitdem Angst um ihren Sohn: „Wenn es dunkel wird, darf er nicht mehr allein auf die Straße.“ Die Kriminalpolizei hat inzwischen Ermittlungen wegen „schwerer Körperverletzung“ und „Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts“ aufgenommen. Unterdessen ruft eine Initiative „Bürgerinnen und Bürger gegen faschistische Gewalt“ in Zehlendorf dazu auf, rechtsextreme Angriffe in jedem Fall bei der Polizei anzuzeigen. Severin Weiland

Im Büro der SPD-Jugendorganisation „Jungsozialisten“ können unter dem Stichwort „Bürger gegen faschistische Gewalt“ Vorfälle gemeldet werden. Adresse: Machnower Straße 19a, 1/37. Im Osten: Mahlower Straße 200, 1530 Teltow.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen