piwik no script img

Fräulein Peitsche und der Finanzminister Von Ralf Sotscheck

Großbritanniens Politiker stehen der königlichen Familie in nichts nach, wenn es um Skandälchen und Affairen geht. Diesmal hat es Finanzminister Norman Lamont erwischt, der ohnehin als „Sterling-Killer“ in die Geschichte eingehen wird. Seine privaten Finanzangelegenheiten regelt er freilich geschickter als die staatlichen. So ist jetzt herausgekommen, daß er vor zwei Jahren einen Teil der Kosten für einen Gerichtsstreit aus dem Staatssäckel bezahlt hat – immerhin 4.700 Pfund (dank Lamont nur noch knapp 11.700 Mark). Lamont hatte damals versucht, mit Hilfe des Gerichts eine unliebsame Mieterin loszuwerden. Nach seiner Ernennung zum Finanzminister durfte er nämlich in das Nachbarhaus von Premierminister John Major in die Downing Street ziehen. Sein eigenes Haus vermietete er. Die neue Mieterin entpuppte sich zu seinem Entsetzen jedoch als „Miss Whiplash“ (Fräulein Peitsche), eine selbsternannte Sex-Therapeutin, die für ihre sado-masochistischen Dienste unter Lamonts Adresse in der Presse warb. Das Gericht erkannte die Gefahr für Lamonts Ruf und warf das Fräulein Peitsche kurzerhand aus dem Haus.

Für die Labour Party war die Enthüllung über den Prozeß auf Staatskosten ein gefundenes Fressen. Der Finanzminister im Labour-Schattenkabinett, Gordon Brown, beschwerte sich, daß die Ausgaben in keiner Bilanz auftauchen. Dafür bescheinigte ihm der unsoziale Sozialminister Peter Lilley, gemeinsam „mit seinen Gosseninformanten in die Gosse abgestiegen“ zu sein. Brown hatte seine Informationen vom Finanzminister bezogen, der zwar in der Tinte, aber noch nicht in der Gosse sitzt. Lamont hat in der vergangenen Woche nämlich in Windeseile die geheimen Richtlinien über die Verwendung von Steuergeldern veröffentlicht. Darüber hinaus übergab er der Presse die Akten des Peitschen- Falles. Demnach hatte ihn sein Sekretär damals geradezu überredet, öffentliche Gelder für die Prozeßkosten anzunehmen. Schließlich stand der Ruf des Ministeriums auf dem Spiel.

Doch ein Rufmord kommt selten allein. Zwei Angestellte eines Schnapsladens behaupteten vor einer Woche, Lamont habe im November versucht, eine Flasche Fusel mit einer ungedeckten Kreditkarte zu bezahlen. Der Minister konnte jedoch der Presse triumphierend eine Quittung für drei Flaschen Wein vorlegen. Die beiden Schnapshändler gestanden zerknirscht, das Ganze erfunden zu haben. „Wir wollten Herrn Lamonts Ruf keinesfalls schädigen“, behaupteten sie scheinheilig. Ja, was denn sonst? Im übrigen war die Geschichte gar nicht so weit hergeholt. Ein Reporter hat sich inzwischen Lamonts Kontoauszug verschafft. Daraus geht hervor, daß der Minister in den vergangenen acht Jahren 22mal die Kreditgrenze überschritten habe und dafür fünfmal schriftlich verwarnt wurde. Ein Ministerposten gilt bei britischen Banken wohl zu Recht nicht als ausreichende Kreditsicherheit.

Niemand rechnet damit, daß Lamont bei der traditionellen Neujahrs-Kabinettsumbildung ungeschoren davonkommt. Dann muß er wieder in sein eigenes Haus einziehen. Vielleicht besucht ihn seine ehemalige Mieterin ja mal.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen