piwik no script img

„Ein Wendepunkt in Slowenien“

■ Ervin Hladnik-Milharćić, Redakteur der slowenischen Wochenzeitung „Mladina“, erwartet im neuen Parlament ein realistisches Abbild der Gesellschaft/ Erste Wahlen seit der Unabhängigkeit

taz: In Slowenien haben gestern die ersten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen nach der Unabhängigkeit stattgefunden. Der jetzige Präsident und ehemalige Kommunist Milan Kučan wird wohl kaum durch seine acht Konkurrenten gefährdet werden können, zumal das Amt ja nunmehr vor allem repräsentativen Charakter hat. Sind bei den Parlamentswahlen Überraschungen zu erwarten?

Ervin Hladnik-Milharćić: Schon während des Wahlkampfes in der letzten Woche wurde klar, daß die „Slowenische Nationale Partei“ des Zmago Jelinićić 5 bis 12 Prozent der Stimmen erhält. Diese rechtsradikale Partei, die mit Parolen wie „Slowenien den Slowenen“ angetreten ist und für den Rauswurf der Arbeiter aus anderen Teilen Ex-Jugoslawiens votiert, ist ein neues Element in der slowenischen Politik. Damit werden die Konstellationen verändert.

Inwiefern?

Vor allem die Christdemokraten mußten ihre politischen Positionen neu überdenken. Bisher hatten die Partei von Loize Peterle einen Teil dieser rechten Stimmen auf sich gezogen. Nun haben sie die Gelegenheit ergriffen, sich als konservativ-christliche Partei darzustellen, die sich gegenüber den Rechtsradikalen abgrenzt. Mit 15 bis 20 Prozent der Stimmen wollen sie die Regierung mittragen, also koalitionsfähig werden. Diese zukünftige Koalition führen will die „Liberale Partei“ des jetzigen Ministerpräsidenten Janez Drnovsek. Indem Drnovsek diese Partei unter der Hand von alternativen Politikvorstellungen löste, hat er versucht, eine pragmatische, stabile und liberale Partei zu formen. Drnovsek wäre einer Koalition mit den Christdemokraten nicht abgeneigt.

Es gibt noch andere Parteien, die koalitionsfähig wären. Die „Sozialdemokratischen Erneuerer“, die ehemaligen Kommunisten, könnten stärker als die Christdemokraten aus den Wahlen hervorgehen. Auch die Sozialdemokraten und die Grünen verfügten bei den letzten Wahlen über ein erhebliches Potential, die Grünen hatten fast 10 Prozent. Nicht zu vernachlässigen sind außerdem die Demokraten des Außenministers Rupel, zu denen Innenminister Bavcar und Informationsmister Kacin gehören, die beide sehr angesehen sind.

Die eine oder andere Partei wird sicherlich als Mehrheitsbeschaffer gebraucht und somit in eine neue Koalition hineinrutschen. Doch das wird erst nach den Wahlen absehbar sein, ich bleibe bei meiner grundsätzlichen Prognose. Mit den Ex-Kommunisten allerdings wird es keine Regierungskoalition geben. Darin sind sich die anderen Parteien einig. Was die Grünen und die Sozialdemokraten – zu denen sich auch aus vor allem persönlichen Gründen Verteidigungsminister Janez Janša gesellt hat – betrifft, sehe ich für diese Parteien bei dieser Wahl kaum Erfolgsaussichten. Die Grünen haben in der DEMOS-Regierung, dem Parteienzusammenschluß der Opposition nach den letzten Wahlen, ihre Themen nicht deutlich machen können und sich zudem in drei Strömungen gespalten. Ökologie war angesichts der Erfahrungen mit dem Krieg und der Politik hin zur Unabhängigkeit nur ein Randthema. Jetzt geht es um die Wirtschaft und da sind sie nicht profiliert.

Nach dem Sturz des Kommunismus tauchten in allen ehemals sozialistischen Ländern viele neue Parteien auf, die Parlamente aber repräsentierten nicht unbedingt die Meinungsströmungen in der Gesellschaft. Erwarten Sie diesbezüglich eine Veränderung für Slowenien?

Diese Wahl stellt in dem von Ihnen genannten Sinne sicherlich eine Korrektur dar. Die slowenische Gesellschaft hat eine liberal- konservative Mehrheit, und dies wird sich bei den Wahlergebnissen zeigen, ob es mir persönlich gefällt oder nicht. Das nächste Parlament wird die Meinungen innerhalb der Gesellschaft korrekter als bisher widerspiegeln. Interview: Erich Rathfelder

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen