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Drehbuchschreiben leicht gemacht

■ Ein flaues RB-Fernsehspiel heute im Ersten

Jawohl, auch Radio Bremen muß an die Front der Seifenopern! Gegen die Privaten! Also hat die kleinste Fernsehspielredaktion der ARD einen „Spagat“ gewagt, (so Programmdirektor Rüdiger Hoffmann bei der Pressevorführung) zwischen den „guten öffentlich-rechtlichen Tugenden“ und andrerseits der „leichten Unterhaltung“.

Entsprechend wacklig und unentschieden wirkt die „Zärtliche Erpresserin“ leider auch. Die Geschichte der 18jährigen Alice, die nach dem Tod ihrer Mutter ihren totgeglaubten Vater sucht und den attraktivsten Anwärter für diese Rolle in eine merkwürdige Beziehung zwischen Rache, Inzest und Liebe verwickelt, wird von dem jungen Schweizer Regisseur und Drehbuchauthor Beat Lottaz so saft- und kraftlos heruntererzählt, daß die meisten Zuschauer sicher bald zu den „Krankenschwestern des Todes“ oder zum „Heimweh nach dir, mein grünes Tal“ hinüberzappen werden.

Anna Thalbach als junge romantische Heldin und August Zirner als Objekt ihrer Begierde überzeugen durchaus in ihren Rollen, aber die Szenen wirken so konstruiert, daß die beiden nicht wirklich lebendig werden.

Man merkt allzu deutlich, welche Kapitel aus dem Lehrbuch für das Drehbuchschreiben Beat Lottaz studiert hat: Viele Szenen scheinen völlig unmotiviert, erst später wird ihre Bedeutung deutlich. Der Penner im Bahnhof zum Beispiel oder der Mann, den Alices Mutter im Cafe so komisch ankuckte: Später entpuppen sie sich natürlich als mögliche Väter von Alice; ganz nebenbei wird ein Tresor in der Wand gezeigt, und wir wissen schon wieder, daß der demnächst noch eine wichtige Rolle spielen wird.

In einem guten Drehbuch werden diese Spuren geschickt getarnt, in „Zärtliche Erpresser“ springen sie dem Zuschauer schmerzlich ins Auge, und man achtet immer mehr auf die Hinweise und zuletzt kaum noch auf die Geschichte selber.

Auch sonst schleppt sich der Film von einer Konvention zur nächsten. Eine jede wird wie aus dem Lehrbuch abgehandelt: Alte Briefe werden gefunden, Gespräche belauscht, es gibt viele Verwechslungen, einen Unfall, eine Schlägerei, etwas Sex auf dem Treppenabsatz.

Und alles ist beliebig, Nichts ergibt sich zwingend aus dem Vorhergehenden. Ich habe nicht eine wirklich originelle Idee in „Zärtliche Erpresserin“ gefunden. Aber was kann man bei dem Wischiwaschi-Titel auch schon anderes erwarten? Wilfried Hippen

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