: Legal, illegal, Supermarktregal
■ Wem nützt der neue auflagenarme „Bagatellrundfunk“?
Hannover (taz) – Nach zähen Verhandlungen liegt den Fraktionen von SPD und Grünen ein Entwurf eines neuen Landesrundfunkgesetzes zur Diskussion vor. Dabei ist ein Paragraph besonders heftig umstritten. Er sieht ein „vereinfachtes Erlaubnisverfahren“ für „Bagatellrundfunk“ vor. Eine besondere medienpolitische Brisanz bekommt der Paragraph vor dem Hintergrund von Ausschreibungen von Satellitenfrequenzen für das sogenannte Supermarktradio (point-of-sale-radio) in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein sowie der Kartellamtsentscheidung zur Fusion der Metro- und Asko-Handelsketten.
Die Medienhandels-AG des Metro-Eigners Otto Beisheim nämlich ist direkt und indirekt an Film- und TV-Unternehmen der Kirch-Gruppe (München) beteiligt, von der das deutsche Kommerzfernsehen dominiert wird. Dem 66,2-Milliarden-Jahresumsatzriesen Metro/Asko winkt bei entsprechender Kooperation ein Bombengeschäft: Die „Bagatellfunk“-Regelung, schon Bestandteil des 1991 verabschiedeten „Staatsvertrags zum Rundfunk im vereinten Deutschland“, erlaubt künftig „Sendungen, die in mehreren Hotels, Krankenhäusern, Ladengeschäften oder ähnlichen Einrichtungen verbreitet werden“ (Begründung: Gesetzesnovelle).
So wird es solchen Konzernen künftig möglich sein, einen Privatfunk völlig neuer Qualität zu betreiben. Ohne lästige Auflagen von Landesmediengesetzen kann gefunkt werden, solange „es sich um Veranstaltungen von Rundfunk insbesondere in Gebäuden und Gebäudekomplexen für eine begrenzte Anzahl von Teilnehmern in einem engen örtlichen Bereich“ (Staatsvertrag) handelt. Dank Satellitentechnik kann dann „Einkaufsradio“ als Hörfunkspartenprogramm anstelle der Tonbandbeschallung in Kaufhäusern und Supermärkten eingespeist werden.
Hannovers Staatskanzlei begründete ihr Interesse zwar noch mit Anfragen von Messeausstellern nach Frequenzen für ein „Ausstellungsradio“, den Grünen versuchte man die Regelung schmackhaft zu machen, weil dann doch auch Piratensender wie der des katholischen Geistlichen van den Brule in Eichsfeld bei Göttingen legalisiert werden könnten; zweifellos sind dies jedoch kaum die wahren Nutznießer dieser Regelung. Die niedersächsischen Grünen sind – um den Koalitionsfrieden fürchtend – zunächst mit ihrem Ergänzungswunsch nach einem werbefreien, täglich maximal zweistündigen Veranstaltungsrundfunk zufrieden und stimmten für den besagten Paragraphen. Sie sehen damit dem Ausverkauf der Rundfunkfreiheit ebenso ahnungslos zu wie die Mehrheit der SPD-GenossInnen. Geschieht nicht ein Wunder, dann sind statt der Modellversuche zu nicht-kommerziellem Lokalfunk, wie sie Rot-Grün verabredete, völlig andere Pilotprojekte on air. Heide Brink
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