: Die Pflege der Horrorstreifen
■ Letzte Vorstellungen im Alabama in Eidelstedt / Auf Kampnagel geht's weiter
in Eidelstedt/Auf Kampnagel geht's weiter!
Das Verbotene hat Michael Conrad und Hans-Peter Jansen, die beiden unmoralischen Cineasten vom Alabama-Kino in Eidelstedt, schon immer gereizt. Trainiert im Tabubruch jeder Art zerrte man in der Vergangenheit wahlweise Papas Pornokino unter dem 50er-Jahre- Sofa hervor, oder gönnte sich Nächte des schlechten Geschmacks, in denen zahllose völlig zu unrecht diskreditierte Horror- und Phantasiefilme ihr Publikum fanden. Hohe und niedere Filmkunst wurden so auf ewig miteinander verbunden.
Damit sollte nun am kommenden Wochenende Schluß sein: Nach 15 Jahren läuft der Mietvertrag in Eidelstedt aus und wird auch nicht verlängert. Doch was wie ein Ende schien, entpuppt sich nun als Anfang: Das Alabama-Kino hat eine neue Heimstatt gefunden. Schon im März nächsten Jahres will man den Spielbetrieb auf Kampnagel aufnehmen. Zwischen dem Film- und Theaterprogramm auf dem Gelände soll künftig eine enge Verbindung bestehen. So scheinen die Differenzen mit dem Bezirksamt Nord beigelegt, da man sich auf ein neues Gebäude auf dem Gelände einigte. Nicht Halle 29, sondern Lagerhalle „Helga“ (benannt nach Ex-Kultursenatorin Helga Schuchardt) soll Kino werden. Kampnagel-Geschäftsführer Jack F. Kurfess schätzt die Situation positiv ein, und bereitet zur Zeit einen Nutzungsvertrag vor.
Dann kann es also weitergehen mit der Traditionspflege der Filme, bei denen der Normalbürger gemeinhin „igitt“ schreit. Es kann auf Black Cinema-Filmreihen gehofft werden und darauf, daß Regisseure wie Christoph Schlingensief oder Peter Kern auch in Zukunft mit ihren Werken im Alabama Premiere feiern. Dafür war man schließlich schon in Eidelstedt berühmt.
Damit kein falscher Eindruck entsteht, nicht nur B-Kultur, auch von der Geschichte bereits verdaute Kunstformen fanden sich in Eidelstedt auf der Leinwand wieder. Legendär ist da die Man Ray- Filmreihe, die trotz Dunkelheit so unnachahmlich das Wesen des Surrealismus beleuchtet. Ray hatte in den 20er Jahren, als das Licht bei einer Austellungseröffnung ausfiel, zwecks Kunstbetrachtung Taschenlampen verteilt. Von der Anekdote inspiriert, entschloß man sich stimmungsvoll Strom zu sparen, nicht nur der Kinosaal, auch der Rest war dunkel. Den Weg zum Klo, zum Bierstand oder auch auf den Schoß des Nachbarn fand man nur mit der Taschenlampe.
1Taschenlampen gibt es im Alabama immer noch genug, nur die Besucher, die wurden mit den Jahren weniger. In den Anfängen drängelten sich bei Godzilla selbst in den Nachmittags-Vorstellungen die Zuschauer. Doch von der allgemeinen Krise der mittelständischen Kinobetriebe blieb auch das Alabama nicht verschont. Nicht zuletzt deshalb zählen Conrad und Jansen auf eine finanzielle behördliche Unterstützung für die Grundsanierung des Kampnagelgebäudes: damit die Zukunft des Alambama nicht so dunkel anmutet wie damals die Man Ray Ausstellungshallen. cat
Fr 23 Uhr: „Gore Night“ mit Live-Musik; Mo 20 Uhr: Peter Bogdanovic's „Die letzte Vorstellung“
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