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Mit den Fröschen den Sumpf trockenlegen

■ Wer bekommt mit welchen Recht wieviel Geld aus dem Kulturetat? Debatten und Kompromisse im „Kulturrat“

„Wir verstehen die Kritik der freien Theaterszene am städtischen Theater. Wir akzeptieren den jetzigen Etat für das Bremer Theater und werden damit auskommen. Die ehemaligen Forderungen zur Etaterhöhung existieren nicht mehr“. So sprach Generalintendant des Theaters am Goetheplatz Hansgünther Heyme am Dienstag auf der Sondersitzung des Kulturrates in der Villa Ichon und schien damit allen Zündstoff aus der Diskussion zu nehmen. Der Kulturrat, gegründet Anfang diesen Jahres als Interessenvertretung der Kulturschaffenden in Bremen, sah denn Konkurrenten Heyme erstmalig als Gast. Dieser beteuerte gleich, daß er keinesfalls dazu beitragen wolle, die Bremer Kulturszene im Verteilungskampf um den Kulturetat 1994 auseinander zu dividieren.

Das klang nach Friede, Freude, Eierkuchen zwischen staatlich gefördertem Theater und den freien Spielstätten. Der kürzlich gemachte Versuch der Shakespeare Company, ein nicht nach kostendeckenden Gesichtspunkten arbeitendes Stadttheater grundsätzlich in Frage zu stellen, weil damit den freien Theatern eine stattliche Förderung ganz entzogen würde, war vorerst zurückgeschlagen. Selbst Shakespeare Norbert Kentrup bestand nicht mehr auf seinem umstürzlerischen Vorschlag, daß das Stadttheater auf seine tariflich festgelegten Gehaltserhöhungen aus dem Kulturetat zu Gunsten einer allgemeinen Umverteilung verzichten sollte. Er und die VertreterInnen der anderen Sparten besänftigen sich mit der schönen Idee, daß alle Theaterinstitutionen, statt gegeneinander zu arbeiten, gemeinsame Forderungen stellen könnten. „Es ist doch nicht wahr,“ so Reinhold Schäfer vom Freiraumtheater, „daß Bremen kein Geld hat. In anderen Bereichen sind Millionen da. Wir müssen gemeinsam in den Verteilungskampf einsteigen.“

Als man aber schon das Thema wechseln wollte, war es dem Goethetheater-Rechnungschef Rolf Rempe dann doch der Harmonie zuviel. „Das ist doch alles Unsinn hier“, sagte Rempe, „solange wir die Strukturen und den technischen Apparat eines städtischen Theaters haben, werden wir selbstverständlich keine Etaterhöhungen zurückweisen. Wir sind dringend auf Personalerweiterungen angewiesen, wenn wir nicht in die dritte Klasse abfallen wollen. Ist das Staatstheater überholt? Oder brauchen wir es für die kulturelle Wirkung einer Stadt?“.

Damit begann dann doch die Grundsatzdiskussion: Alle Gehälter, die über siebentausend Mark im Monat lägen seien, so Kentrup, zutiefst unmoralisch in einer Institution wie dem Theater, das durchaus zum Konsumverzicht, etc. aufrufe. — „Ich weiß doch wo Sie hinwollen! Wir sollen bestehende Tarifverträge brechen!“ rief Rempe. — „Mit Ihnen kann man nicht kooperieren. Das ist wie mit den Fröschen zusammen den Sumpf trockenlegen wollen!“, so Klaus Kellner aus dem Literaturkontor.

Bevor dann aber alles auseinanderbrach, kam Brigitte Schulte-Hofkrüger (Dacapo) mit einem hübschen Vorschlag zur Gemeinsamkeit und verschob damit den Kampf um den Kulturetat auf nächstes Jahr: Gegen den grassierenden Ausländerhaß sollte man das Roma-Theater Pralipe einladen und sich Organisation und Kosten teilen. Heyme würde das Goethetheater zur Verfügung stellen. Ohne Miete zu verlangen.

Cornelia Kurth

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