■ Daumenkino: Nie wieder schlafen
„Reich ins Heim“ steht als Losung auf einem der Autowracks, die drei Gespielinnen in Berlin passieren. Regisseurin Pia Frankenberg, noch immer auf großer Deutschlandreise für geistige Erneuerung, hat sich nach Hamburg als Kulisse für „Brennende Betten“ nun Berlin im Erlebnishunger dreier Damen einverleibt. Rita, Lilian und Roberta, Dolmetscherin, Mutter und Fotografin, fliehen vor dem Horror Vacui einer westdeutschen Großstadt ausgerechnet nach Berlin, zu einer Hochzeit auf einem Spreedampfer. Logischerweise muß es gleich zum Eklat kommen, das Trio infernale wird an den Strand gespült, und von da ab beginnt eine Odyssee mit den Stationen „Vorsicht: Abgelegter Liebhaber“, „Deutsche Geschichte“, „Der sprechende Fremde“, und, als könnte uns das nicht erspart bleiben, eine Episode „Matthias“. Was glauben Sie, werter Leser und Berlin-Meider, wo sie sich wiedertreffen, die drei Frauen zum Schluß? Am Alex, unter der Weltzeituhr. Sind das „Frauen der Neunziger“? Wenn wir jemals so werden sollten, wenn wir je „Hier stehe ich und verhalte mich nicht“ sagen, dürfen Sie mit den Birkenstocklatschen nach uns werfen.
Eine Dornenkrone um den Schädel geschraubt, wird Garcia durch das Hospital gefahren, die Kamera schaut aus seiner Perspektive dem schwarzen Pfleger in die nicht unerheblichen Nasenlöcher. Garcia hat sich das Genick gebrochen und wird nun vorsichtig in den Rollstuhl gehieft, in dem er den Rest seines Lebens zubringen soll. Gleich die ersten Szenen von Jiminez/Steinbergs Film rücken den Behinderten in die Nähe von Jesus, der für die Sünden anderer (Autofahren, schneller Leben) ans Kreuz genagelt wurde. Damit fügt sich der Film nahtlos in die lange Reihe von „Juppie trifft Behinderten und wird von ihm zurechtgerückt“-Lehrstücke: „Rainman“ mit Dustin Hoffman war so, damals „Einer flog übers Kuckucksnest“, „Awakenings“ oder kürzlich „Mice and Men“: Die Behinderten werden hier, wie früher die Edlen Wilden, außerhalb der Zivilisation gerückt und berichten den Korrumpierten vom Wahren Leben out there. Potenzstörungen werden allerdings in angemessener Peinlichkeit vorgeführt. Eric Stolz als Garcia ist hübsch anzusehen. mn
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