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Stolpe mit Lorbeer umkrenzt

■ Ex-SED-Generalsekretär Egon Krenz vor dem Potsdamer Ausschuß

Potsdam (taz) – Wer nicht mehr so oft gefragt wird, muß um so mehr die seltenen Gelegenheiten zur Selbstdarstellung nutzen. Das muß sich auch der letzte Generalsekretär der SED, der nur 50 Tage agierende DDR-Staatschef Egon Krenz, gedacht haben. Als er gestern vor dem Potsdamer Untersuchungsausschuß als Zeuge auftrat, hatte Krenz zur Frage nach der Stasi-Anbindung Stolpes nur wenig Aufhellendes beizutragen – aber zu Honecker wollte er dem Ausschuß denn doch berichten. Etwa: „Die, die Honecker heute vor Gericht sehen wollen, haben vorher seine Dialogbereitschaft gelobt.“ Und: „So wie die DDR in der veröffentlichten Meinung heute dargestellt wird, war sie wirklich nicht.“

Den früheren Konsistorialpräsidenten ehrte Krenz gar mit einem Vergleich zu Kanzler Kohl. Auch Ende der 80er Jahre noch habe sich Stolpe in seiner Einschätzung der deutschen Frage mit dem Kanzler „voll getroffen“. Stolpe, das war Krenz zufolge ein „Makler zwischen Staat und Kirche, zwischen Ost und West“. Im Innenleben der DDR habe Stolpe die Auffassung mitgetragen, daß Konflikte so ausgetragen werden müssen, daß keine der beiden Seiten ihr Gesicht verliere. Eine Aufgabe, maßgeschneidert für den Kirchenmann. Der soll es dann auch geschafft haben, daß sich die Kirche zur „legalen Opposition in der DDR“ entwickelt hat.

Wie weit Stolpe, dem auch vorgeworfen wird, Interna der Bonner Politik den staatlichen Stellen überbracht zu haben, sich als „Ohr und Zunge“ von Westpolitikern benutzen ließ, sollten diese selbst erklären, meinte Krenz. Aus der Tatsache, daß er selbst vor seinen Treffen mit Stolpe aufgefordert wurde, diesem eher zu mißtrauen, folgerte der letzte Generalsekretär, daß dieser kein „wissentlicher IM“ gewesen sein könnte.

Krenz begegnete nach eigenem Bekunden Stolpe erstmals bei einem Botschaftsempfang im Sommer 1985. Manfred Stolpe habe sich dabei besonders für 50 Kriegsdienstverweigerer verwendet, die angeblich in Kürze verhaftet werden sollten. Krenz will die Anfrage umgehend seinem Generalsekretär Erich Honecker vorgelegt haben. Der habe dann im Sinne Stolpes gegen eine strafrechtliche Verfolgung der Wehrdienstgegner interveniert – gegen die Rechtslage in der DDR, wie Krenz dem Ausschuß kredenzte. Typisch Egon: „Ich kann nur hoffen, daß die bundesdeutsche Justiz jetzt nicht nachträglich daraus Anstiftung zur Strafvereitelung macht.“ Wolfgang Gast

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